Auf der Suche nach den Schuldigen für die Misere muss man ein Stück in die Vergangenheit zurückgehen - genauer gesagt ins Jahr 2003, zu Alan Greenspans Politik des billigen Geldes.
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Nun ist die in Amerika entstandene Immobilienkrise auch auf Europa übergeschwappt und hat sich in einem Ausmaß ausgeweitet, das viele an das Jahr 1929 erinnert. Einig ist man sich, dass es sich um eine Vertrauenskrise handelt, und alle Maßnahmen zielen darauf ab, dieses Vertrauen wieder herzustellen. Der kleine Sparer zittert ums Ersparte, Pensionskassen müssen Pensionen kürzen.
Die Gegenmaßnahmen reichen von den 700 Milliarden Dollar, mit denen "faule" Kredite vom Staat aufgekauft werden bis zu den Milliarden an Garantiesummen, um Einlagen staatlich abzusichern, bis hin zu Verstaatlichung von Banken.
Geht es nach den Leserbriefen, macht die Bevölkerung für das Desaster die gierigen Bankmanager verantwortlich, die in Amerika faule Kredite in komplizierte Produkte verpackt verkauft haben. Die Kreditwürdigkeit konnte man durch Intransparenz nicht richtig einschätzen. Waren es nicht hypothekarisch abgesicherte Kredite? Mit dem Urteil, dass die gierigen Manager bewusst faule Kredite in Paketen verkauft hätten, muss man aber vorsichtig sein, denn zum Zeitpunkt des Verkaufs waren sie (noch nicht) faul.
Um die wahren Ursachen der Kreditkrise zu erfassen, müssen wir zurückgreifen. Das war im Jahr 2003, als Alan Greenspan über die Fed - eine Art Nationalbank der USA - die Märkte mit einer Zinssenkung nach der anderen beglückte. Greenspan war ein Keynesianer; und für John Maynard Keynes galt als Patentrezept gegen Arbeitslosigkeit und Rezession immer schon die Politik des billigen Gelds. Von 1950 an war der Keynesianismus Leitlinie auch der europäischen Politik, von Schweden bis Bruno Kreisky. Wer erinnert sich nicht an dessen legendären Ausspruch: "Mir sind 100 Millionen Schilling Schulden lieber als 1000 Arbeitslose mehr."
Die Politik des billigen Gelds kann nur durch billige Kredite im volkswirtschaftlichen Kreislauf wirksam werden. Also schwammen die US-Banken in billigem Geld, die Konjunktur sprang an; eine Periode starken Wachstums war die Folge, alle waren zufrieden, Greenspan wurde zum Guru erhoben. Die Kreditkrise ist lediglich eine verspätet Folgeerscheinung dieser Politik des billigen Geldes. Amerika lebte dank dieser Politik über seine Verhältnisse. Und wenn man Schuldige sucht, dann sind natürlich auch die einzelnen (kleinen und großen) Bankmanager - aber erst in zweiter Linie - schuld.
Sie haben alle Regeln einer soliden Kreditvergabe missachtet, Kreditwerbern viel zu hohe Kredite aufgedrängt, auf Eigenmittel verzichtet, Bonitäten nicht geprüft. Die immer weiter steigenden Preise für Grundstücke schienen Sicherheit genug. Mitgeholfen hat sicher auch die US-Mentalität: Der Amerikaner verschuldet sich dank seiner ungebrochenen Zukunftsgläubigkeit wesentlich stärker als ein Europäer.
Einen Teil der faulen Kredite wird man mit sinkenden Kreditzinsen vielleicht retten können. Und außerdem wird sich der Staat auch - hoffentlich - einen Großteil jener 700 Milliarden Dollar später zurückholen können.
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