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Ab Montag unternimmt der ORF einen neuen Anlauf, dem Format des sommerlichen Politikerinterviews eine journalistische Daseinsberechtigung zu verschaffen, wenn er die Chefs der sechs Parlamentsparteien im Wochenabstand vor die Kamera bittet. Dass das Risiko des Scheiterns bei diesem Kommunikationsritual für die Journalisten längst größer ist als für die Politiker, ist bezeichnend.
Zurückzuführen ist das auf die Verschiebungen, die sich im Verhältnis zwischen Medien und Politik in den vergangenen Jahren entwickelten.
Längst empfinden es ziemlich viele Politiker als Affront, wenn ein Journalist auf einer Antwort auf seine Frage beharrt. Dafür wird eine klare Antwort auf eine Frage von etlichen Journalisten umgekehrt fast schon in den Rang eines Geständnisses gehoben. Und wer einem Politiker den Satz "Das weiß ich jetzt nicht" entreißt, darf sich im Besitz einer raren Trophäe wähnen. Das sind die seltsamen Gesetze, nach denen die allermeisten Politikerinterviews funktionieren.
Dabei lassen sich die meisten Politiker in zwei Gruppen einteilen: in jene, die viel reden und trotzdem relativ wenig sagen; und solche, die - wenn überhaupt - kaum reden und allein schon deshalb nichts sagen.
Die erfolgreichste Methode, eine unangenehme Geschichte medial in Schach zu halten, ist nämlich noch immer, ganz einfach gar nichts zu sagen. Kein Wunder, dass Journalisten immer neue Ideen suchen, wie es ihnen vielleicht doch gelingen könnte, das Format des Politikergesprächs mit Inhalten anzureichern, die es auch wert sind, mitgeteilt zu werden. Wenn allerdings ein Politiker wild entschlossen ist, gar nichts zu sagen - die ehemalige Kulturministerin exerziert dies in bemerkenswerter Konsequenz angesichts der Burgtheater-Affäre vor -, sind auch die originellsten Interviewansätze zum Scheitern verurteilt.
Sollte sich diese Strategie als nachhaltig erfolgreich erweisen, steht mehr auf dem Spiel als bloß ein paar enttäuschte Medienmenschen. Der öffentliche Austausch von Argumenten und Positionen, die gemeinsam Beratschlagung und anschließende Konsenssuche: Das sind die Grundpfeiler unserer Demokratie, wie sie der deutsche Philosoph Jürgen Habermas zusammengefasst hat. Wenn sich die Politik dem verweigert, brauchen wir ein neues Modell - oder noch einfacher: neue Politiker.