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Nachdem die Habsburger als finalen Höhepunkt ihrer jahrhundertelangen Herrschaft halb Europa in einen mörderischen Weltkrieg geführt hatten, der in der Zerstörung ihres Reiches endete, dankte das "Haus Habsburg" keineswegs freiwillig ab. Kaiser Karl verzichtete zwar auf Drängen seiner eigenen Regierung auf "jeden Anteil an den Staatsgeschäften", als Monarch dankte er jedoch nie ab, da er - wie alle Habsburger - seine Herrschaft vom Gottesgnadentum ableitete. Der 2004 von der katholischen Kirche selig gesprochene Krampfadernheiler widerrief später sogar seine Verzichtserklärung.
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Angesichts zweier militärischer Restaurationsversuche in Ungarn war es eine notwendige Verteidigungsmaßnahme der Republik, dass im Bundespräsidentenwahlgesetz auch in der heute gültigen Fassung in Paragraph 6 Absatz 2 festgeschrieben wurde, dass "Mitglieder regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals regiert haben", von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind. Den Gesetzgebern ging es nicht um genetische Nachkommen, sondern um Mitglieder dieser "Häuser", die bis heute nicht auf ihre Ansprüche verzichtet haben. Der Vorwurf, dass dieses Gesetz schwammig formuliert wäre, mag zutreffen. Zu einer Präzisierung der Regelung sollte aber ein anderes Gesetz herangezogen werden, das die Intention des Gesetzgebers deutlich macht.
Im sogenannten Habsburgergesetz (3. April 1919) heißt es unter Paragraph 2: "Im Interesse der Sicherheit der Republik werden der ehemalige Träger der Krone und die sonstigen Mitglieder des Hauses Habsburg-Lothringen, soweit sie nicht auf ihre Mitgliedschaft zu diesem Hause und auf alle aus ihr gefolgerten Herrschaftsansprüche ausdrücklich verzichtet und sich als getreue Staatsbürger der Republik bekannt haben, des Landes verwiesen."
Das Bundespräsidentenwahlgesetz könnte dahingehend präzisiert oder analog zum Habsburgergesetz definiert werden, dass dazu nur jene Habsburger zählen, die "nicht auf alle Herrschaftsansprüche ausdrücklich verzichtet haben". Eine Art Austrittserklärung aus dem "Hause Habsburg" und ein Verzicht auf das über Jahrhunderte Bauern und Arbeitern abgepresste Erbe genügte dann, um sehr wohl als Bundespräsident kandidieren zu dürfen. Der entsprechende Paragraph stellte keine menschenrechtswidrige Diskriminierung dar, es wäre auch keine Gesetzesänderung nötig. Habsburger, die nicht auf dieses Erbe verzichten, können ja alles andere sein: Großgrundbesitzer, EU-Abgeordnete, sogar Nationalratsabgeordnete oder Minister. Nur eben nicht Staatsoberhaupt, jene Funktion, auf die das "Haus Habsburg" nie glaubwürdig verzichtet hat. Es ist legitim, dass sich die Republik gegen monarchistische Restaurationsversuche verteidigt. Dass mittlerweile Sozialdemokraten und Grüne daran erinnert werden müssen, zeigt, wie wenig Bereitschaft selbst in diesen Parteien vorhanden ist, die gesetzlichen Grundlagen der Republik zu verteidigen.
Thomas Schmidinger ist Lektor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.