Brasiliens Ex-Präsident Lula versucht, seinem Ersatz möglichst viel von seiner Popularität überzustülpen.
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Sao Paulo. Der Häftling führte lange die Umfragen an. In den vergangenen fünfzehn Jahren war Lula - Luiz Inacio Lula da Silva - der beliebteste und bekannteste Politiker Brasiliens. Er gewann die Präsidentschaftswahlen 2003 und 2006, und eigentlich auch die von 2011 und 2014. Denn da die konsekutive Amtszeit per Verfassung auf zwei Perioden beschränkt war, schickte er seine politische Ziehtochter Dilma Rousseff vor, die stets betonte, Lulas Erbe weiterzuführen. Die Präsidentin wurde in ihrer zweiten Legislaturperiode des Amtes enthoben. Ihr konservativer Vize übernahm die Agenden. Während die Anhänger der Arbeiterpartei von Lula und Rousseff darin einen Staatsputsch sahen, half ihnen nur ein Gedanke beim Einschlafen: dass die Zeit der Konservativen beziehungsweise der Anderen begrenzt sein werde. Denn bei der Präsidentschaftswahl 2018 darf ja Lula per Verfassung wieder antreten.
Es sollte anders kommen. Lula wurde unterdessen von einem Immobiliendeal eingeholt. Eine Firma, die von öffentlichen Aufträgen profitierte, hätte ein Appartement in Lulas privaten Umfeld aufwendig hergerichtet. Lula wurde wegen Korruption und Geldwäsche zu zwölf Jahren und einem Monat Haft verurteilt. Auch das Berufungsgericht sah seine Schuld als erwiesen an. Und ein - in Lulas zweiter Amtszeit beschlossenes Gesetz 2010 - verbietet das Antreten zur Wahl, wenn eine Verurteilung vom Berufungsgericht bestätigt wurde.
Anfang September wurde die letzte Hoffnung der Lula-Fans zunichtegemacht. Das Wahlgericht sprach sich gegen die Kandidatur aus. Während Spezialisten sich noch streiten, ob man auch gegen diese Entscheidung Berufung einlegen kann, drängt doch die Zeit: Am 7.Oktober findet die Präsidentschaftswahl in Brasilien statt. Die Arbeiterpartei muss die Zeit nutzen, um einen ernsthaften Kandidaten in Stellung zu bringen. Ansonsten überlässt sie dem Rechtspopulisten Jair Bolsonaro, der stets hinter Lula auf Platz zwei in den Umfragen lag, fast kampflos das Feld.
Das hat der Übervater der Arbeiterpartei inzwischen auch eingesehen. Mit einem Brief aus dem Gefängnis wandte sich Lula an seine Anhänger. Er gab seinem bisherigen Vize im Wahlkampf den Segen, auf Platz eins vorzurücken. "Ein Mann kann ungerechtfertigterweise inhaftiert werden, aber nicht seine Ideen", schreibt Lula kämpferisch. Und verwendet seinen eigenen Namen als Hauptwort: "Wir sind heute schon Millionen von Lulas. Und, von heute an, wird Fernando Haddad der Lula für Millionen Brasilianer sein."
Mit dem Prädikat "Lula" hat, wenngleich nicht mit diesem Pathos, hat schließlich schon Rousseff die Wahl gewonnen. Nun soll das Haddad gelingen. Und Lula ist dabei natürlich äußerst geschickt: Denn was Haddad, mehr noch als damals Rousseff, fehlt, ist der Bekanntheitsgrad. Rousseff, lange die Vizin von Lula, war schon früh als Nachfolgerin in Stellung gebracht worden, mit der notwendigen Begleitmusik.
Der 55-jährige Haddad ist dagegen vor allem in der Metropole Sao Paulo bekannt, deren Bürgermeister er war. Er war zwar Bildungsminister unter Lula, das ist aber lang her und reicht nicht für eine überregionale Bekanntheit.
Parole: Bekanntheitsgrad im Schnellverfahren erhöhen
Erhebungen zufolge will rund die Hälfte der Lula-Anhänger jedenfalls für die Person stimmen, die von Lula zur Nachfolge gekürt wird. Laut einer Umfrage vom Dienstag - vor der offiziellen Lularisierung Haddads - kam Haddad auf nur eine einstellige Zustimmung - acht Prozent.
13 Personen sind im Rennen um das Amt zum Präsidenten. Ohne Lula ist Bolsonaro der Kandidat mit den besten Umfragewerten. Der Vorsprung des Ex-Militärs hat sich nach dem Messerattentat auf ihn ausgeweitet. Bolsonaro konnte um zwei Prozentpunkte zulegen und ist nun bei rund 26 Prozent. Der Linkspolitiker Ciro Gomes kommt, weit abgeschlagen, auf nur 11 Prozent, die Grüne Marina Silva und der wirtschaftsliberale Geraldo Alckmin sind laut der Ibope-Umfrage gleichauf bei neun Prozent.
Das Ziel von Haddad muss nun sein, zumindest Zweiter zu werden, um mit Bolsonaro in die Stichwahl zu kommen. Denn derzeit sieht es so aus, als würden dann doch mehr Brasilianer im zweiten Durchgang der "anderen Person" ihre Stimme geben - also nicht dem polarisierenden Bolsonaro mit seinen frauenverachtenden und diktaturverherrlichenden Aussagen.
Geschickterweise hat Lulas - und Haddads - Arbeiterpartei mit der sozialistischen Partei ein Pakt vereinbart, wonach die Sozialisten keinem Kandidaten ihre offizielle Unterstützung schenken. Das ist für den derzeit Zweiten in den Umfragen, Ciro Gomes, ein herber Rückschlag. Und auf Haddads Vizeticket hat eine Parteifremde Platz genommen: Manuela d’Avila, die von der Kommunistischen Partei kommt und so die Stimmenbasis vermehren soll.