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Haftdrohung wegen Kampfs gegen IS

Von Alexander U. Mathé

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Alexander U. Mathé

Kurdischstämmige Dänin gab ihr Studium auf, um gegen Terroristen in den Krieg zu ziehen.


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Der erste Einsatz ändert alles. Joanna Palani war erst 22 Jahre alt, als sie im November 2014 ihre Heimat Dänemark verließ und sich den kurdischen Truppen anschloss, die in Syrien und im Irak auf Seite des Westens gegen die Terrororganisation IS kämpfen. "Zuerst habe ich das alles nicht richtig ernst genommen. Aber nach dem ersten Angriff änderte sich das, danach nahm ich es todernst", sagte sie dem amerikanischen Frauenmagazin "Broadly". Doch sie war fest entschlossen, "mein Leben und meine Freiheit aufzugeben, um den Vormarsch von IS zu stoppen, damit jeder in Europa in Sicherheit leben kann", erklärte sie der britischen Zeitung "Daily Mail". Der familiäre Hintergrund wird wohl auch eine gewisse Rolle gespielt haben, denn Palanis Eltern sind Kurden. Sie selbst kam in einem iranischen Flüchtlingslager zur Welt und erreichte im Alter von drei Jahren mit ihrer Familie Dänemark. Dort führte sie ein beschauliches Leben, studierte Politikwissenschaft und Philosophie. Doch die Kämpfe im Land ihrer Eltern und die islamistische Gefahr wühlten sie dermaßen auf, dass sie beschloss, ihre Studien aufzugeben und selbst zur Waffe zu greifen. Sie schloss sich zuerst den Volksverteidigungseinheiten (YPG) an, bevor sie zu den Peschmerga stieß (übersetzt: "Die dem Tod ins Auge sehen") und für sie kämpfte wie ihr Vater und ihr Großvater vor ihr. Palani stellte sich als hervorragende Scharfschützin heraus. "IS-Kämpfer sind einfach zu töten", sagt sie lässig, "sie sind gut darin, ihr eigenes Leben zu opfern." Ganz im Gegensatz zu Assads Truppen, die seien "professionelle Tötungsmaschinen". Palani befreite mit ihrer Truppe unter anderen Frauen und Mädchen, die als Sexsklavinnen gehalten wurden. Das wiederum vergrößerte die Einheit, denn viele von ihnen schlossen sich unter Palanis Führung der Truppe an. Auch wenn die Peschmerga vom Westen ausgebildet wurden und an dessen Seite kämpften, wurde Palani nach ihrer Rückkehr nach Dänemark festgenommen. Ihr drohen bis zu zwei Jahre Haft. Ironischerweise wurde sie zum Opfer eines Gesetzes, das eigentlich gegen Menschen gerichtet ist, gegen die sie selbst kämpfte. Dänemark, das laut dem Internationalen Zentrum für Konterterrorismus die höchste Zahl an Dschihadisten-Rückkehrern hat, bestraft nämlich das Kämpfen für außerdänische Einheiten mit bis zu 16 Jahren Haft. Die Strafe an sich wäre Palani ja egal, es ist die Ungerechtigkeit, die sie stört, zum einen, dass "ich als Gefahr gesehen werde, wenn ich doch für Europa und alle Frauen gekämpft habe", zum anderen, weil sie ehrlich genug war, zuzugeben, wo sie war und was sie dort gemacht hat. Da genau das sehr schwer nachzuweisen ist, geben es die Rückkehrer üblicherweise nicht an. Das führt dazu, dass Palani ihre Widersacher aus Syrien in Kopenhagen auf offener Straße spazierengehen sieht. Die wiederum stellen für Palani eine Gefahr dar. Für den IS muss Palanis Einsatz doppelt schmerzhaft und demütigend sein: Nicht nur, dass ein kurdischer Scharfschütze IS-Terroristen den Garaus macht, es handelt sich dabei auch noch um eine Frau. Wie aufgebracht der IS ist, verrät das Kopfgeld, das auf Palani ausgesetzt worden sein soll: eine Million Dollar - tot oder lebendig.