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Schleppend, aber doch, kommt der Wahlkampf in die Gänge. Abgesehen vom allseits beliebten Thema Inflation und deren Bekämpfung ist mit der Veröffentlichung der Häftlingszahlen am Wochenende ein neuer Streitpunkt aufgetaucht. | Um was geht es überhaupt? Die Zahl der Häftlinge, die in den 28 österreichischen Gefängnissen einsitzen, war im Juli 2008 um stolze 900 Personen niedriger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Grund dafür ist laut SPÖ-Justizministerin Maria Berger das Haftentlastungspaket, das ihre Partei noch 2007 gemeinsam mit dem Koalitionspartner ÖVP und den Grünen beschlossen hat.
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Während letztere voll des Lobes für den Erfolg der gemeinsam gesetzten Maßnahmen - Kernpunkt ist die erweiterte Möglichkeit bedingter Haftentlassungen - sind, hält sich die ÖVP damit zurück. Wahlkampf-adäquat wirft Abgeordneter Günter Kössl der Ministerin vor, sich nur auf Erleichterungen für Straftäter konzentriert zu haben. Der Opferschutz sei demgegenüber ins Hintertreffen geraten, so Kössl. Dabei lässt er offenbar die mit 1. Jänner 2008 in Kraft getretene neue Strafprozessordnung außer Acht, die unter anderem eine Informationspflicht für Opfer vorsieht. Dies ist laut dem Präsidenten der Opferhilfe-Organisation "Weisser Ring", Udo Jesionek, auch der Grund dafür, dass im ersten Halbjahr 2008 um 40 Prozent mehr Menschen bei der Organisation um Hilfe angesucht haben als 2007.
Doch darum scheint es der ÖVP auch gar nicht vorrangig zu gehen. Dort nutzt man die Gunst der Stunde vielmehr dafür, neuerlich nach der umstrittenen Sexualstraftäter-Datei zu rufen. Doch auf diesem Ohr gibt sich der Noch-Koalitionspartner derzeit taub.
Andererseits liefert die ÖVP mit dem Bestehen auf einer Sextäter-Datei einen Hinweis auf eine Law-and-Order-Allianz. Denn auch das BZÖ hat sich in seiner Kritik an den Haftentlassungen an den Sextätern festgebissen. Laut BZÖ-Chef Peter Westenthaler wurden 2007 immerhin 88 Sexualstraftäter bedingt freigelassen. Dass mit dem Berger-Paket auch Ausländer frühzeitig - wenn auch mit Rückkehrverbot belegt - entlassen werden, entspricht auch nicht gerade dem orangen Geschmack.
Probleme werfen schließlich die Kosten auf: Der Anstieg an bedingten Entlassungen seit Inkrafttreten des Pakets hat den Bewährungshilfe-Verein "Neustart", der im Auftrag des Justizministeriums alle derartigen Fälle betreut, gehörig unter Druck gebracht. Der gesetzlich vorgeschriebene Betreuungsschlüssel von höchstens 30 Klienten pro Sozialarbeiter wird derzeit überschritten: "Die Belastungsgrenze ist erreicht", heißt es dort. Der Verein hofft auf eine Budgeterhöhung im Rahmen der anstehenden Verhandlungen mit dem Ministerium. Nur, dass diese nun den Neuwahlen zum Opfer fallen könnten.