Zum Hauptinhalt springen

Haftet der Bund für insolvente Gemeinden?

Von Stephanie Dirnbacher

Wirtschaft

Wenn Schulden auf die Kosten der anderen gehen. | In Österreich ist Konkursfähigkeit nicht beschränkt. | Wien/Berlin. Ein Masseverwalter anstelle eines Bürgermeisters an der Spitze einer Gemeinde. Dieses Szenario wäre zumindest rechtlich möglich. "Denn die österreichische Konkursordnung sieht keine Beschränkung der Konkursfähigkeit vor", erzählt Patrick Schenner vom Gläubigerschutzverband Creditforum im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Gibt es in solchen Fällen, in denen sich eine Gebietskörperschaft verschuldet, eine Beistandspflicht des Bundes? Oder muss die Gemeinde selbst mit den Konsequenzen leben und sich möglicherweise in einem Konkursverfahren verantworten? "Verpflichtet zu helfen ist niemand. De facto gibt es aber schon Hilfestellung", heißt es aus dem Büro des Staatsschuldenausschusses.

In Deutschland ist die Lage anders. Erstens ist eine Insolvenz von Gebietskörperschaften dort nicht zulässig. Zweitens hat der Bund eine gewisse Pflicht, zahlungsunfähigen Gebietskörperschaften unter die Arme zu greifen. So hat das deutsche Bundesverfassungsgericht 1992 den Bund für die Haushaltssanierung der Länder Bremen und Saarland aufgrund des "bündischen Prinzips" zur Kasse gebeten.

Für Charles Beat Blankart, Professor an der Berliner Humboldt-Universität, führt dieser Weg ins Verderben. Bei einem Vortrag am Hayek Institut in Wien am Mittwochabend sprach er sich für die Insolvenz von Gebietskörperschaften aus, denn "Insolvenz fördert Insolvenzvermeidung". Er hält es für sinnvoll, "die Insolvenzfähigkeit dem Staat anzudrohen, damit nicht unseriös Budgetpolitik betrieben wird". Dann nämlich würden sich einerseits die Gläubiger mehr bemühen, Infos einzuholen und andererseits die Schuldner mehr versuchen, Risiken zu minimieren und Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Das wiederum führt laut Blankart zu niedrigeren Zinssätzen bei Krediten.

In Deutschland beschreitet die Politik allerdings einen anderen Weg, bedauerte der Universitätsprofessor. Es wird versucht, Haushaltsnöte durch Schuldenschranken zu verhindern. Die Oktroyierung von oben hält Blankart nicht für sinnvoll, weil "die Erfahrungen mit Schuldenschranken nie besonders erfolgreich waren". Dabei verwies er etwa auf die Maastricht-Kriterien.

Blankart ist überzeugt, dass der Markt die Gebietskörperschaften ohnehin zu mehr Disziplin zwingen würde, da Investoren sich nur sichere Gemeinden und Länder aussuchen würden.

Ablehnend steht der Professor auch der Beistandspflicht des Bundes gegenüber. Zwar hätte es beim Bundesverfassungsgericht 2006 einen Paradigmenwechsel gegeben, bei dem eine Zahlungspflicht des Bundes für ein verschuldetes Land verneint wurde. Allerdings wies das Gericht kryptisch darauf hin, dass der Bund die Länder nicht ganz im Stich lassen dürfte. Für Blankart ist das ein Freibrief, dass man "auf Kosten der anderen Schulden machen darf."