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Steuerzahler sollen bei Rettung von Geldhäusern künftig geschont werden.
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Brüssel. Sogar Krisen können ihre positiven Seiten haben. Sie können beispielsweise neuen Schwung bringen. Selbst in die EU-Gesetzgebung, die durch die Verzahnung der drei Institutionen Kommission, Parlament und Kreis der Mitgliedstaaten oft nur unter Mühen Gestalt annimmt. Doch im Finanzkrisenmodus, in dem sich die Union in den letzten Jahren bewegt, rückten Projekte, die zuvor wie eine Illusion schienen, in greifbare Nähe. Die Bankenunion ist so ein Beispiel dafür. Errichtet ist sie zwar noch immer nicht, doch wurden inzwischen einige wesentliche Bausteine dafür zusammengetragen. So haben sich die europäischen Finanzminister soeben auf Haftungsregeln für Geldhäuser geeinigt. Und es war nicht die einzige Verständigung auf große Vorhaben in dieser Woche - wenn auch dabei kritische Stimmen nicht ausblieben, in denen der Wunsch nach weiter reichenden Reformen zum Ausdruck kam.
Erst vor wenigen Tagen haben sich die EU-Institutionen auf Änderungen bei den Agrarsubventionen und in der Landwirtschaftspolitik generell geeinigt. Kurz danach folgte ein Kompromiss zur Finanzplanung für die Union in den kommenden sieben Jahren. Am Freitag beraten die europäischen Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel weitere Schritte in Richtung einer Wirtschafts- und Währungsunion.
Ein Bestandteil davon ist eben die Bankenunion. Eine gemeinsame Aufsicht für die europäischen Finanzinstitute ist bereits beschlossene Sache; grundsätzliche Einigungen auf neue Hilfsinstrumente aus dem Rettungsschirm ESM für marode Geldhäuser sowie auf Regeln zu deren Abwicklung waren die Folge. Eine Übereinkunft dazu trafen die Finanzminister in einer Nachtsitzung kurz vor dem Gipfel.
Zerschlagen oder schließen
Ziel ist es, dass künftig Geld zur Rettung der Banken nicht in erster Linie vom Steuerzahler kommen muss. Überhaupt müsse nicht allen strauchelnden Unternehmen geholfen werden, ist die Annahme. Das nun geplante Gesetzespaket soll den nationalen Behörden die Instrumente zur Verfügung stellen, mit denen sie Geldhäuser zerschlagen und kurieren oder schließen können. Denn bis jetzt haben die Aufseher aus Furcht vor Kettenreaktionen es kaum gewagt, Kreditinstitute pleitegehen zu lassen. Innerhalb von drei Jahren haben die EU-Staaten Banken mit einem Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung der Union gestützt, größtenteils mit Garantien. Erst beim Notprogramm für Zypern mussten sich ebenfalls Bankinvestoren finanziell beteiligen.
Das soll keine Ausnahme bleiben. Die neuen Haftungsregeln sehen vor, dass künftig Aktionäre, Bankanleihebesitzer und Kunden, deren Konto-Guthaben 100.000 Euro übersteigt, zur Kasse gebeten werden. Einlagen bis zu diesem Wert bleiben geschützt. Die Reihenfolge im Krisenfall ist in drei Stufen festgelegt. Zunächst müssen acht Prozent der Bilanzsumme zur Verlustdeckung verwendet werden. In dieser ersten Runde müssen Aktionäre und Gläubiger diesen Betrag aufbringen. Weitere fünf Prozent können in bestimmten Fällen über den Krisenfonds gedeckt werden, wenn der Staat einige Gläubiger vom sogenannten Bail-in ausnehmen möchte. Übersteigt der Finanzbedarf die - zusammen genommen - 13 Prozent, werden wieder Bankinvestoren herangezogen. Und nur, wenn alle anderen Quellen ausgeschöpft sind, springt der Staat oder der ESM ein.
Der Krisenfonds selbst ist ebenfalls ein neues Instrument. Ihn sollen die Staaten einrichten - ebenso wie eine eigene Abwicklungsbehörde. Diese Aufsicht soll Banken zur Sanierung oder Schließung zwingen können. Das Geld zur Restrukturierung soll aus dem neuen Abwicklungsfonds kommen - den wiederum die Finanzinstitute auffüllen müssen. Dafür müssen innerhalb von zehn Jahren 0,8 Prozent der gedeckten Einlagen aller Unternehmen aufgebracht werden, auch wenn die Kommission ein Prozent lieber gesehen hätte. In den Topf zur Sicherung der Konten sollen 0,5 Prozent der gedeckten Einlagen fließen.
Die Wünsche des EU-Parlaments, mit dem es ebenfalls noch zu verhandeln gilt, gehen darüber hinaus. Die Abgeordneten fordern mindestens 1,5 Prozent und eine Trennung der beiden Töpfe. Doch das bisherige Kompromisspapier überlässt es den Ländern, ob sie den Abwicklungs- und den Einlagensicherungs-Fonds zusammenführen oder separat behandeln.
Nationale Spielräume
Auch andere nationale Spielräume gibt es, auf die etwa Frankreich gepocht hatte, das lieber früher als später mit öffentlichen Mitteln zu Hilfe eilen will. So können die Behörden bestimmte Verbindlichkeiten aus dem Bail-in, also der Gläubigerbeteiligung, ausnehmen - aber erst nach der ersten achtprozentigen Abwicklungsrunde.
Im Ermessen der Länder bleibt daher auch der Anteil jener Instrumente - ob Aktien oder Konten -, die beim Bail-in berücksichtigt werden müssen. Es geht dabei darum, was die Banken als Puffer zurücklegen müssen. Je geringer dieser ist, umso mehr Geld müsste für den Abwicklungsfonds bereitgestellt werden. Dieser Anteil soll aber ab 2016 harmonisiert werden.
Die neue nationale Abwicklungsbehörde - deren Aufgaben in Österreich laut Staatssekretär Andreas Schieder die Nationalbank oder die Finanzmarktaufsicht übernehmen könnte - soll Befugnisse haben, die sich je nach Lage vergrößern können. Auch dabei lassen sich drei Phasen unterscheiden. Zunächst einmal sollen Banken schon im Vorhinein einen Abwicklungsplan vorlegen, in dem enthalten ist, wie viel Mittel sie im Fall einer Schließung aufzubringen haben. Die Behörden können die Notfallpläne korrigieren. Später, wenn das Institut nicht mehr genug Eigenkapital hat, kann die Aufsicht auf die Umsetzung des Programms drängen. Und wenn schließlich eine Pleite nicht mehr abwendbar scheint, kann die Behörde die Kontrolle übernehmen. Kleine Unternehmen kann sie schnell schließen. Bei großen Banken wird dies nicht rasch geschehen. Die werden eher aufgespalten und teilsaniert.