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Es gibt dankbarere Jobs in der schwarzen Reichshälfte dieser Republik als die Obmannschaft der Wiener ÖVP. Insbesondere wenn in einem Jahr Landtagswahlen vor der Tür stehen und die Volkspartei allerhöchstens von einem Halten ihrer - absolut gesprochen mageren - 18,8 Prozent aus dem Jahr 2005 träumen kann - und im schlimmsten Fall auch mit Platz vier hinter SPÖ, FPÖ und Grünen aufwachen könnte.
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So sieht die Situation aus, in der die Partei nach der Nominierung von Johannes Hahn zum künftigen EU-Kommissar sich ab sofort auf die Suche nach einem neuen Spitzenkandidaten machen muss; mittelfristig gilt das auch für den Posten des Obmanns.
Partei ohne Überbau
Hahn wurde 2007 als Wissenschaftsminister in die Regierung geholt, um der darbenden Landespartei die Möglichkeit zur Profilierung zu geben. Über die Bundesebene sollte quasi in Wien ein quantitativer Sprung nach oben gelingen. Der Antritt Hahns als Spitzenkandidat 2010 war dabei naturgemäß fixer Bestandteil dieses Drehbuchs. Das ist jetzt passé.
Die Schwäche der Wiener ÖVP liegt im fehlenden Überbau begründet. In früheren Jahrzehnten war sie zumindest der natürliche Gegenpart zur allmächtigen Rathaus-SPÖ. Doch damit ist es spätestens seit dem Aufstieg der FPÖ zur Mittelpartei vorbei. Und die Etablierung der Grünen als urbane politische Kraft hat die Schwarzen endgültig in eine strategische Zwickmühle gebracht, aus der sie bis heute keine politische Antwort aus einem Guss gefunden hat.
Nach Jahren des Zauderns und Zögerns hat Hahn die Partei immerhin auf einen liberalen Kurs eingeschworenen, indem er die Anhänger einer prononciert rechtskonservativen Ausrichtung aufs Abstellgleis manövrierte. Zuvor hatten sich seit Erhard Buseks Zeiten diese beiden Lager einen erbitterten Kleinkrieg um die Vorherrschaft geliefert. Einig war man sich allenfalls darin, am großen Kuchen, den die alleinregierende SPÖ den Wiener Parteien finanziell zur Verfügung stellt, üppig mitnaschen zu wollen.
Hahns Verdienst ist es, die schwierige Landespartei zumindest konsolidiert und geeint zu haben. Den Beleg, dass mit seinem liberalen politischen Konzept auch der Sprung über die 20-Prozent-Marke gelingen kann, muss er nun nicht erbringen. Er wäre wohl in der gegenwärtigen politischen Landschaft schwer gefallen.
Zwischen allen Stühlen
Damit dürfte nun wieder die Debatte über den künftigen Kurs der Partei offen ausbrechen. Die Themen Migration und Kriminalität werden bei den Wahlen zweifellos eine zentrale Rolle spielen. Die FPÖ trommelt bereits seit Monaten mit voller Kraft auf ihren beiden Leib- und Magenthemen; die um ihre absolute Mehrheit fürchtende SPÖ ist ebenfalls diesbezüglich längst in Hyperaktionismus verfallen - man denke nur an die Unzahl der zuletzt ins Leben gerufenen Sicherheits-Truppen; und die Grünen konzentrieren sich auf das kleinere, für sie aber durchaus ausreichende gegenüberliegende politische Spektrum.
Und die ÖVP? Die ist wild entschlossen, den Wählern einen goldenen Mittelweg zwischen Blau und Grün zu verkaufen, der nur den Nachteil hat, dass er sich in der Hitze der Wahlschlacht kaum kommunizieren lässt. Zudem positioniert sich die Bundespartei mit Innenministerin Maria Fekter als Frau für "Law&Order" eindeutig, um hier den Freiheitlichen das Wasser abzugraben. Und aus dem Umfeld von ÖVP-Chef Josef Pröll ist dieser Tage zu hören, dass auch der Wiener Partei ein solcher Weg nicht schlecht tun würde .. .
So gesehen klammert sich die Wiener Partei dieser Tage an die Hoffnung, dass jede Neuerung auch die Chance auf eine Verbesserung beinhaltet. Allein die Tatsache, dass nicht sofort eine Handvoll Kandidaten selbstbewusst nach dem Job des Spitzenkandidaten die Finger ausstreckt, ist jedoch kein gutes Zeichen. Politiker sind eines nämlich mit Sicherheit nicht, wenn sich ihnen eine gute Chance bietet: schüchtern.