So üppig diese Woche in den Medien des Landes der 10. Jahrestag der "Wende" - also der Angelobung des Kabinetts Wolfgang Schüssel I durch einen gastritisch dreinblickenden Bundespräsidenten - abgehandelt wurde, so schemenhaft blieben in den meisten Erinnerungsstücken erstaunlicherweise jene politischen Vorbedingungen, die diese "Wende" erst ermöglichten.
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Das Frappierende an den politischen Umständen der späten 1990er ist, dass sie jenen des Jahres 2010 in vieler Hinsicht ähnlicher sind, als man sich wünschen würde. Denn so viele Ursachen der Aufstieg der von Jörg Haider angeführten FPÖ zur zweitstärksten Partei des Landes 1999 auch gehabt haben mag: Die damals eklatante, für jedermann erkennbare Bresthaftigkeit einer völlig ermatteten großen Koalition war ein zentraler, unerlässlicher Born der FPÖ-Gewinne. Die These des verstorbenen "profil"-Herausgebers Hubertus Czernin über "Die Haider-Macher" in Gestalt der glücklosen Großkoalitionäre traf durchaus zu. Sie traf nicht nur zu, sie trifft auch zu, man muss in der Czerninschen These bloß Haider durch Strache ersetzen.
Ansonsten fallen bei einem Vergleich der Regierung Klima/Schüssel 1999 mit der 2010 amtierenden weniger die Unterschiede als die Parallelen ins Auge. Brav, aber mit überschaubaren Ergebnissen mühte sich jene große Koalition damals an den Problemen der Zuwanderung, der Pensionssicherung und der Budgetsanierung ab, redlich, aber ohne nennenswerte Erfolge vorzeigen zu können. Statt ihre Verfassungsmehrheit für ein paar kühne Schnitte zu nutzen, blockierten einander die Kräfte der Beharrung in beiden Regierungsparteien gegenseitig. Die Stagnation war derart greifbar, dass selbst die überzeugtesten Gegner der FPÖ und Haiders nach den Wahlen 1999 eine Fortsetzung dieser Stagnationsregierung mit eher gemischten Gefühlen betrachteten.
Zehn Jahre später: Die (nun nicht mehr so) große Koalition verschiebt das Blutbad-Budget 2011/12 aufs nächste Jahr und kann sich nicht so recht zur Errichtung eines Asyllagers oder zur schnellen Sanierung der "Hacklerregelung" durchringen. Und die FPÖ legt dabei in den Meinungsumfragen wieder in Richtung ihrer Stärke des Jahres 1999 zu. Das kommt uns alles sehr, sehr bekannt vor. Dazu ein charakteristisches Zitat: "Haben wir eine so unbetamte Regierung? Möglich. Aber möglicherweise ist auch unser ganzes politisches System inzwischen so verformt, dass das Notwendige einfach nicht gemacht werden kann." Jörg Haider 1999? Nein, Hans Rauscher im "Standard", Jänner 2010.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen 1999 und 2010 ist freilich, dass sich die politische Stagnation jener Zeit in einem insgesamt intakten ökonomischen Umfeld abspielte, während jene des Jahres 2010 mitten in die große Weltkrise fällt, die uns wohl auch noch einige Zeit begleiten wird.
Das wird aber wohl auch bedeuten: Strache wird sich nicht so tief bücken müssen wie Haider, um jene politische Ernte aufheben zu können, die ihm die Regierung gerade beschert.