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Eine der wirkungsvollsten Lenkwaffen, die Amerika in vergangenen Auseinandersetzungen immer wieder eingesetzt hat und auch nun gegen Ziele in Afghanistan abfeuert, sind land-, luft- oder seegestützte "cruise missiles" oder Marschflugkörper.
Captain James Brown legt den roten Kippschalter um. Aus den geöffneten Schächten seines Bombers B52-H fallen 24 schlanke "Haifische", ca. 6,25 Meter lang und knapp 52 Zentimeter dick, 1.315 Kilo schwer. Während der ersten Sekunden des freien Falls klappen die kleinen Seiten- und Heckflügelflossen auf, die den Marschflugkörper auf seinem Flug stabilisieren werden, dann kommt der orangegelbe Blitz aus den Strahltriebwerken.
Captain Brown zieht seine B-1 in einer Schleife hoch. Seine Position: 25. Breitengrad über dem Arabischen Meer. Das Angriffziel der 24 Marschflugkörper sind Ziele im Weichbild der afghanischen Städte Kandahar, Herat und Kabul.
Während Captain Brown auf seine Basis in Saudi-Arabien zurückfliegt, haben die 24 Marschflugkörper bereits die erste Station ihres Flugprofils erreicht. Jeder der 24 "Haifische" hat mit Hilfe seines Bordcomputers und des mit Befehlen gefütterten Programmbandes eine andere Position angesteuert.
Einer der Haifische fliegt zunächst Richtung Nord-Nordost mit einer Geschwindigkeit von 900 km/h und nur knapp 40 Meter über den tiefblauen Wellenbergen, erst 30 Sekunden sind seit dem Abwurf vergangen. Dann wird die iranisch-pakistanische Küstenlinie sichtbar, bei Govater. Nun rückt im Inneren des Marschflugkörpers das Programmband weiter: Der "Haifisch" fliegt nun ziemlich genau Kurs Ost, schwenkt dann - wieder wie von Geisterhand gehoben und gelenkt - bei der pakistanischen Küstenstadt Pasni genau nach Nord und steigt nun stetig auf, bis er mit 9.000 Meter die maximale Flughöhe erreicht hat. Die pakistanische Luftabwehr ist von den US-Militärs informiert, dass das "unbekannte Flugobjekt" auf ihren Schirmen ein Marschflugkörper ist, der die Stadt Kandahar in Afghanistan ansteuert. Daher steigen keine pakistanischen Abfangjäger auf.
Vom Radar unentdeckt
Im Prinzip könnten die Marschflugkörper aber auch so bodennah fliegen, dass sie mit dem üblichen, bodengestützten Radar unentdeckt blieben. Denn eine der großen und entscheidenden Vorzüge der "cruise missiles", die sie in den Zeiten des Kalten Krieges zu einem destabilisierenden Element im Gleichgewicht des Schreckens machten, ist der Umstand, dass sie kaum entdeckt werden können.
Ein Marschflugkörper hat in seinem Bordrechner genau die Landkarte seiner vorgesehenen Flugstrecke eingespeichert, die Höhen- und Tiefenprofile jenes Gebietes, das er auf seiner Mission zu überfliegen hat. Der Marschflugkörper kann quasi Landkarten lesen und überprüft an der Wirklichkeit seinen ihm aufgetragenen Kurs und kann eventuelle Abweichungen (etwa durch starken Seiten- oder Gegenwind) korrigieren.
So ändert die "cruise missile" also immer wieder nach genau eingespeicherten Befehlen und Rückkopplung Kurs und Höhe, gegebenenfalls auch Geschwindigkeit, sie kann sich an Küsten heranpirschen und wenige Meter über dem Wasser fliegen, sie durchquert enge Schluchten, hüpft über Hügel, um sich sofort wieder am Talgrund weiter zu schleichen, schmiegt sich im Flug an eine steile Bergwand an, die auch einen optimalen Radarschatten bietet.
Ein Flugkörper, der sich so extrem boden- bzw. geländenah bewegen kann, auch über einen hocheffektiven Radartarnanstrich verfügt, nur 6,25 Meter lang und so schmal ist, kann selbst vom bodengestützten Radar nicht geortet werden. Er bietet zu wenig Rückstrahlfläche und ist daher im Anflug nicht zu orten. Selbst luftgestütztes Radar (wie es etwa die USA mit ihren AWACS-Maschinen, aber auch Russland) zur Verfügung haben, tut sich extrem schwer, einen so kleinen Flugkörper auszumachen.
In aller Regel, das haben die Simulationen bei der US-Luftwaffe ergeben, werden anfliegende Marschflugkörper zu spät entdeckt, so dass aufsteigende Jagdflugzeuge auch mit ihren modernen Lenkwaffen mit Infrarotsuchkopf wenig Chancen auf Erfolg haben.
Der heute am meisten eingesetzte Marschflugkörper "Tomahawk" II ist mit einem System ausgestattet, welches das jeweilige Bodenprofil unter ihm abtastet (Terrain Contour Matching =TERCOM) und einer Korrektureinheit (Digital Scene Matching Area Correlation, DSMAC), die sicherstellt, dass das abgetastete Bodenprofil und der zuvor programmierte Kurs übereinstimmen. Die allerneueste Version "Tomahawk" III ist zusätzlich mit einem GPS-System (Global Positioning Satellite) ausgestattet, was bedeutet, dass über Satelliten die eventuell nötige Kurskorrektur der Flugbahn erfolgt.
Umprogrammierung im Flug
Die Version "Tomahawk" IV, die ab 2003 in Dienst gestellt werden soll, wird über weitere technische Neuerungen verfügen: z. B. Umprogrammierung während des Fluges auf ein anderes Ziel, ein System der Schadenabschätzung, Abschussmöglichkeit von einer leichten, am Boden fahrbaren Rampe.
Die Reichweite der Marschflugkörper liegt bei ca. 1.600 Kilometer; außer 500 Kilogramm hochexplosivem konventionellem Sprengstoff können sie auch mit Atombomben mit einer Sprengkraft von 20 Kilotonnen bestückt werden. Da sie aufgrund der Programmierung und Technik ungemein zielgenau sind - über Frankreich gestartet, würde ein Marschflugkörper jedenfalls den Stephansdom treffen - eignen sie sich besonders zur Bekämpfung sogenannter "gehärteter" Ziele, also zum Beispiel von Bunkern oder unterirdischen Anlagen, Raketensilos etc. Hersteller des am meisten verwendeten "Tomahawk"-Marschflugkörpers ist Raytheon Systems Company in Tucson, Arizona.
Marschflugkörper waren anfangs dafür gedacht, von Bombern abgeworfen zu werden. Sie erinnerten optisch auch eher an ein Kleinflugzeug. Später wurden "cruise missiles" entwickelt, die von Landbasen abzusetzen waren, später waren sie auch von Überseekriegsschiffen oder Unterseebooten zu starten. Diese Marschflugkörper sind im Erscheinungsbild eher wie kleinere Raketen. Die Kosten liegen je nach Ausstattung zwischen 500.000 und einer Million Dollar. "Cruise missile" sind also eine äußerst kostengünstige Lenkwaffe, die - wie auch ihre bisherige Einsatzgeschichte - zeigt, sehr erfolgreich war.
Marschflugkörper fanden erstmals im großen Umfang 1991 im Golfkrieg und dann wieder in der Luftkampagne gegen Serbien Verwendung, aber auch schon gegen Afghanistan, als der damalige US-Präsident Bill Clinton mit ihnen einen Vergeltungsschlag nach den Terroranschlägen auf die US-Botschaften in Kenya und Tansania ausführen ließ.
65 Stück für die Briten
Die USA haben de facto ein Monopol auf die hochentwickelten Marschflugkörper. Großbritannien hat freilich durch einen Vertrag mit Washington 1995 ganze 65 Stück "Tomahawk" erwerben dürfen. Sie wurden nach einem erfolgreichen Test im November 1998 (dabei wurde ein echter Sprengkopf verwendet) in den operativen Dienst der britischen Streitkräfte gestellt.
Insgesamt produzieren aber 19 Staaten "cruise missiles", die technologisch freilich mit jenen der USA nicht mithalten können. 54 Staaten insgesamt verfügen in ihren Waffenarsenalen über Cruise missiles aus unterschiedlichen Ländern und Produktionen sowie Firmen.