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Hainburg · Symbol und Vorzeichen

Von Georg Friesenbichler

Politik

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1984: Die SPÖ regierte seit einem Jahr in einer kleinen Koalition mit der FPÖ Norbert Stegers, wobei sie mit fast 48 Prozent der Wählerstimmen der klar dominierende Teil gegenüber dem Fünf-Prozent-

Partner war. Die Alternative Liste Österreichs hatte gerade mit der Wahl von Kaspanze Simma in den Vorarlberger Landtag erste Erfolge gefeiert, größere Bedeutung blieb der jungen Grün-Bewegung aber

vor allem deshalb verwehrt, weil sie sich in Zwistigkeiten zwischen der linken ALÖ und den bürgerlich orientierten Vereinigten Grünen aufrieb.

In der Öffentlichkeit dominierte die Meinung, daß der wirtschaftliche Aufschwung weiter gehen, und dafür mehr und billigere Energie benötigt würde · und es gab noch immer Stimmen, die das AKW

Zwentendorf in Betrieb nehmen wollten.

Vor diesem Hintergrund avancierte die Besetzung der Hainburger Au zum vielschichtigen Symbol, zur Manifestation und zum Vorzeichen für Umbrüche in der Gesellschaft, die noch heute fort wirken, zum

Aufbruchszeichen für neue soziale Bewegungen, die sich zum Teil schließlich bei den Grünen wieder fanden.

Daß die Parteien noch "ihr grünes Wunder" erleben würden, wagte ich damals in einem Kommentar auf der Jugendseite der ""Wiener Zeitung" · geschrieben vor dem "schwarzen Mittwoch", dem 19.

Dezember, erschienen danach · zu prophezeien. Zwei Jahre später saßen die Grünen im Parlament.

Chaos und Ordnung

In den "Lagern" der Stopfenreuther Au, quasi den Verteidigungsstützpunkten, und zwischen ihnen hin und her spazierend, fanden sich Leute, die sonst wenig mit einander gemeinsam hatten:

Universitätsprofessoren und Punks, brave Bürgerstöchter und Linksradikale etc. wagten es gleichermassen, sich gewaltfrei gegen das verkündete Recht, das sie als Unrecht empfanden, aufzulehnen.

Diese bunte Mischung war gleichsam ein Vorgriff auf ein Phänomen, das in den Neunzigern die Gesellschaft massenweise ergriff: Die festen, auf Ideologien der Vergangenheit fußenden Lager lösten sich

auf, die ansonsten Einzelinteressen verfolgenden Individuen schlossen sich aber zur Erreichung einzelner spezifischer Ziele zusammen.

Die Interessensgemeinschaft, die sich zur Verteidigung des "letzten intakten Auwaldes in Europa" bildete, findet heute ihre Entsprechung in den Jugendszenen oder im Internet, wo man sich gleichzeitig

für den Regenwald und für Hochtechnologie interessieren kann, und abgegrenzt für jeden dieser Bereiche Gleichgesinnte findet. Kein Wunder, dass den Vertretern der alten "Ordnung" dieses Verhalten als

"chaotisch" erschien und ihm mit absolutem Unverständnis begegneten.

Natur und Mensch

"Der Mensch kommt vor dem Kriechtier und dem Frosch," plädierte 1983 die Gesellschaft für Energiewesen für den Kraftwerksbau.

Die Aubesetzer sahen das anders. Das biblische Wort, daß sich der Mensch die Erde untertan machen solle, wurde in Frage gestellt, ein neues Verhältnis von Mensch und seiner Umwelt herauf beschworen.

Damit prallten auch zwei philosophische Welten aufeinander: Die "Technokraten" und "Betonierer" konnten mit der "Emotionalisierung" des Themas durch "weltfremde Chaoten" nichts anfangen.

Die Emotionen haben mittlerweile einiges von ihrem negativen Beigeschmack verloren (man denke nur an das Schlagwort der "emotionalen Intelligenz").In Wahlkämpfen wird ganz ungeniert mit Emotionen

gespielt.

Und schließlich hat die Politik inzwischen auch gelernt, sowohl mit Emotionen als auch mit den Umweltgedanken vorsichtiger umzugehen: Wenige Jahre nach Hainburg wurden Entscheidungen über anstehende

Projekte dem Volk anheim gestellt, was zwar den Expo-Betreibern eine Niederlage, der E-Wirtschaft in der Form des Kraftwerks Freudenau aber einen Erfolg brachte.

Auch wenn immer wieder versucht wird, das Rad der Zeit zurück zu drehen, ist heute das "Durchziehen" eines Vorhabens, wie es in Hainburg versucht wurde, wesentlich schwieriger geworden.

Macht und Ohnmacht

In Hainburg manifestierte sich, weit über den naturschützerischen Anlass hinaus, auch der Widerstand gegen eine Politik, die zu wissen glaubt, was für die Menschen richtig und wichtig zu sein hat,

und die über ihre Köpfe hinweg auch versucht, dies mit allen Mitteln durchzusetzen.

Der Kampf gegen diese "Arroganz der Macht" ist bei weitem nicht abgeschlossen und zeigt sich auch in den Wahlerfolgen von Grünen und Freiheitlichen.

Es scheint sogar, als hätte das Gefühl der Ohnmacht seit Mitte der Achtziger Jahre noch zugenommen. Denn wo es den Menschen in den Donau-Auen möglich schien, in einem quasi emanzipatorischen Akt

durch gemeinsames Handeln Politik und Wirtschaft ihren Willen kund zu tun, wird heute von einem großen Teil der Bevölkerung die Tat an einen "starken Mann" delegiert.