Plan B setzt auf Staatsimmobilien, Goldreserven und Gaseinnahmen in spe.
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Nikosia. Der Zypern-Thriller geht ins Finale. Eine dreistündige Sitzung aller sechs im Parlament vertretenen Parteien unter Vorsitz von Staatspräsident Nikos Anastasiadis am Donnerstagvormittag kam einstimmig zum Ergebnis, dass die Republik umgehend einen "Investitions- und Solidaritätsfonds" einrichtet. Dieser sollte die für die Rekapitalisierung des maroden Bankensektors erforderlichen 5,8 Milliarden Euro generieren. Demnach sollten als Aktiva alle Staatsimmobilien, Zyperns Goldreserven (dem Vernehmen nach 700 Millionen Euro) sowie die künftigen Staatseinnahmen aus den Gas- und Ölvorkommen vor der Küste in den Fonds fließen. Eine zunächst für Donnerstagabend geplante Abstimmung im Parlament über diesen "Plan B" wurde schließlich auf Freitag verschoben.
Auch die Verwertung von Besitztümern der Kirche und eine Verstaatlichung der Pensionsfonds wurde ins Spiel gebracht. Der Haken: Selbst wenn der Fonds dazu dient, Staatsanleihen zu besichern, würden diese Kredite Zyperns Schuldenberg vergrößern. Genau das wollen weder die Eurogruppe noch der Internationale Währungsfonds zulassen.
Ursprünglich sollte das Geld deshalb nach dem Eurogruppen-Beschluss vom vorigen Samstag per Zwangsabgabe auf die Spar- und Termineinlagen bei Zyperns Geldinstituten kassiert werden. Die Option eines "Haircuts" auf diese Bankeinlagen ist in den Augen Nikosias indessen endgültig vom Tisch. Der Grund: Zypern lehnt eine Zwangsabgabe im Grundsatz ab und will auch nicht über allfällige Entlastungen für Kleinsparer oder eine Einlagengarantie für Guthaben in Höhe von bis zu 100.000 Euro diskutieren, wofür sich das EU-Parlament unterdessen ausgesprochen hat.
Beobachter sind sich einig: Mit seiner jüngsten Entscheidung brüskiert Zypern seine Partner in Brüssel massiv. Nikosia ignorierte am Donnerstag auch ein zuvor gestelltes Ultimatum der Europäischen Zentralbank (EZB), wonach der Bankensektor nur noch bis Montag mit Liquidität versorgt werden soll, falls Zypern nicht den Eurogruppen-Beschluss von Samstag umgehend umsetzt (siehe unten). Nikosia versteht das EZB-Ultimatum als neuen Erpressungsversuch, um die Zwangsabgabe auf die Spar- und Termineinlagen in Zypern trotz des Neins im Parlament doch noch durchzusetzen. "Wir reden nicht über eine Zwangsabgabe. Wir können auch nicht auf einen Haircut (bei den Spareinlagen) zurückkommen." Die Volksvertretung habe Nein gesagt. "Dabei bleibt es", sagte Parlamentspräsident Jannakis Omirou nach der Sitzung der Parteiführer. Zugleich brachte er seinen Unmut über Brüssels Haltung zum Ausdruck. "Wie sich manche in den letzten Tagen verhalten haben, ist inakzeptabel."
Lackmustest für die EU?
Der Abgeordnete und Vorsitzende der mitregierenden Eyroko-Partei, Dimitris Syllouris, sagte: "Mit dem Patriotismus der Zyprioten und Investoren, die aus eigenen Stücken in Zypern investieren wollen, wird mehr als durch die Zwangsabgabe auf Spareinlagen anvisierten 5,8 Milliarden Euro zusammenkommen." Dann werde sich zeigen, so Syllouris, "ob unsere europäischen Partner und die Geldgeber-Troika tatsächlich beabsichtigen, uns zu helfen oder sie vielmehr unsere Wirtschaft zerstören wollen." Averof Neofytou, Vizepräsident der konservativen Regierungspartei DHSY, sagte: "Das Ziel ist die Rettung Zyperns. Wir tun alles dafür, eine Lösung zu finden."
Der Gouverneur von Zyperns Notenbank, Panikos Dimitriadis, gab bekannt, dass bis Montag ein "Nationales Programm zum Wiederaufbau der Wirtschaft" erstellt werde. In Zyperns Polit-Elite besteht aber über die Parteigrenzen hinweg weiterhin keine Bereitschaft, von dem in Brüssel stark kritisierten Geschäftsmodell seiner Wirtschaft als internationalen Finanzplatz abzurücken - zumindest nicht kurzfristig. "Wir sehen durchaus, dass unser Bankensektor im EU-Vergleich aufgebläht ist. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir von heute auf morgen seinen Tod akzeptieren. Zypern muss ein internationaler Finanzplatz bleiben", sagte Angelos Votsis, Vize-Vorsitzender des parlamentarischen Finanzausschusses und Mitglied der mitregierenden DHKO-Partei, der "Wiener Zeitung". Die von der Eurogruppe beschlossene Anhebung der Unternehmenssteuern um 2,5 auf 12,5 Prozent hält Votsis für akzeptabel. "12,5 Prozent sind aber auch genug." Denn höhere Unternehmenssteuern seien für Zypern kontraproduktiv.
Auch der Troika-Forderung nach einer Privatisierung der drei halbstaatlichen Unternehmen - der Telekommunikations-, der Elektrizitätsgesellschaft und der Hafenbehörde - erteilte Votsis eine klare Absage. "Der Norden Zyperns ist von der Türkei besetzt. Für uns sind die halbstaatlichen Unternehmen von nationalem Interesse." Seine Standpunkte stoßen bei Dimitris Papadakis, Generalsekretär der oppositionellen EDEK-Sozialisten, auf uneingeschränkte Zustimmung. "Wir sind durchaus dafür, dass unsere Wirtschaft behutsam reformiert wird. Aber nicht mit der Pistole auf der Brust", sagte er dieser Zeitung.
Zyperns Banken bleiben jedenfalls bis mindestens Dienstag geschlossen. Zuletzt waren sie am vorigen Freitag geöffnet. Das hat immer krassere Folgen: So kann man mittlerweile nirgends mehr per Kreditkarte bezahlen. Ob in Hotels, Tankstellen oder in Geschäften: Akzeptiert wird nur noch Bares. Die Bankautomaten sind zwar gefüllt, pro Tag darf man aber nur noch 200 Euro statt wie bisher 400 abheben. Am Donnerstag bildeten sich erstmals lange Warteschlangen. Wie Zyperns Staatssender RIK meldete, seien erste Probleme im Zahlungsverkehr im Großhandel auf Zypern festzustellen. Sollten die Banken länger geschlossen bleiben, würden sich die Probleme auch auf den Einzelhandel ausweiten, warnen Beobachter.
Kein neuer Kredit Moskaus
Derweil blieb Finanzminister Michalis Sarris vorerst in Moskau, um Unterstützung aus Russland auszuloten. Einen weiteren Kredit werde es von Moskau zwar nicht geben, nachdem Russland bereits 2011 mit 2,5 Milliarden Euro geholfen hatte, sagte Sarris dem Staatssender RIK. Aber: "Es gibt hier eine Reihe alternativer Optionen." Von einem ist der Zypriote jetzt schon überzeugt: "Es gibt die Bereitschaft auf russischer Seite, einem Freund zu helfen."