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Haiti und die USA

Von Ritt Goldstein

Politik

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Mit den Vorwürfen gegen die USA, den haitianischen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide entführt zu haben, kommen auch kontroverse US-Geheimoperationen in dem Land wieder zum Vorschein. Laut der amerikanischen Nicht-Regierungsorganisation (NGO) "Human Rights Watch" ist Washington in der Vergangenheit "mit genau jenen Kräfte Kompromisse eingegangen, die die demokratischen Bestrebungen des haitianischen Volkes rücksichtslos unterdrückt haben". Die USA sollen auch "eine Vertuschungsaktion ihrer eigenen illegalen Aktivitäten in Haiti" durchgeführt haben. Zu diesen Aktivitäten zählt "Mittäterschaft bei Politmord", so die NGO.

Vieles deutet darauf hin, dass hinter den derzeitigen Ereignissen der lange Zeit gehegte Wunsch der USA steckt, in Haiti eine nicht-linke Regierung einzusetzen, die sich Washington's Wünschen fügt und die Flüchtlingsströme verhindern kann. Um das zu erreichen, rekrutierten die US-Geheimdienste gewaltbereite kriminelle Elemente in Haiti; einige schufen sie selbst. Viele davon waren am jüngsten Staatsstreich beteiligt.

Zwei Schlagzeilen verdeutlichen besonders die Vergangenheit der Rebellenführer Guy Philippe und Louis-Jodel Chamblain und damit die Hintergründe des Putsches: "Rebellen in Haiti erhalten Unterstützung", titelte die "Washington Times". Im britischen "Guardian" stand zu lesen: "Todesschwadronen eilen haitianischen Rebellen zu Hilfe".

Chamblain hat 1987 angeblich die Todesschwadronen der haitianischen Armee angeführt und ist ein hochrangiges Mitglied der Front für Entwicklung und Fortschritt in Haiti (FRAPH) während der 1990er Jahre gewesen. Mittlerweile weiß man, dass ein Funktionär des US-Militärgeheimdienstes (DIA) eine wichtige Rolle in der Schaffung der FRAPH, als Gegengewicht zu Aristide, gespielt hat. Es ist auch bekannt, dass die Front für zahlreiche politische Morde, Entführungen, Vergewaltigungen, Folterungen und Angriffe verantwortlich war.

Chamblain kam Mitte Februar mit etwa 20 bis 25 "Truppenkommandos", Panzern, modernen Waffen und anderer Militärausrüstung in Haiti an. Der Anwalt der haitianischen Regierung, Ira Kurzban, beschuldigte die USA, die Philippe/Chamblain-Truppen ausgestattet zu haben. "Das ist eindeutig eine militärische Operation und es ist ein militärischer Staatsstreich", fügte Kurzban hinzu.

Guy Philippe ist der ehemalige Polizeichef Haitis, der angeblich die gescheiterten Putschversuche in den Jahren 2000 und 2001 geplant und ausgeführt hat. Er hat durch die USA ein "Spezialtraining" erhalten und wurde durch US-Intervention in die höheren Ränge der Polizeitruppe befördert. Es wird berichtet, dass er in den letzten zwei Jahren immer wieder Raubzüge in Haiti durchgeführt hat.

Sowohl Philippe als auch Chamblain haben straffrei von der Dominikanischen Republik aus operiert, trotz etlicher Auslieferungsanträge durch Haiti. In der Dominikanischen Republik sollen die Rebellenführer auch Seminare des Internationalen Republikanischen Instituts (IRI) besucht haben.

Das IRI ist ein Teil der National Endowment for Democracy (einer Washingtoner Organisation zur weltweiten Förderung der Demokratie, Anm.). Diese Organisation war an dem gescheiterten Staatsstreich in Venezuela gegen Hugo Chavez beteiligt, sowie in den sogenannten "Dirty Wars" der USA in Zentralamerika in den 1980ern. Übrigens haben beide US-Diplomaten, die in der Haiti-Krise vermitteln, Otto Reich und Roger Noriega, ebenfalls eine Vergangenheit in diesen Kriegen.