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Halbwertszeit: Jahrhunderte

Von Klaus Faißner

Europaarchiv

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Vor kurzem veröffentlichte das deutsche Umweltbundesamt eine beim österreichischen Umweltbundesamt (UBA) in Auftrag gegebene Studie über "Alternativen zu gentechnisch veränderten Pflanzen". Fazit: In den meisten Fällen gibt es keinen Bedarf für Gentech-Pflanzen.

In fünf Fallbeispielen wurden gentechnische Lösungsansätze mit Anbaumethoden der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft verglichen: Bei der Unkrautbekämpfung von Raps, dem Insektenbefall bei Mais, Rizomania-Virenbefall bei der Zuckerrübe, Mehltaubefall bei Wein und bei Kartoffeln mit veränderter Stärkezusammensetzung. Ökologie, technische Machbarkeit und ökonomische Faktoren wurden untersucht.

Lediglich beim Fallbeispiel "Kartoffel mit veränderter Stärkezusammensetzung" hat der GVO die Nase vorne: Zu der "maßgeschneiderten Industriekartoffel" gebe es derzeit keine wirtschaftlich gleichwertige Alternative aus der konventionellen Pflanzenzucht, die sich mittels einer einzigen Kulturpflanze abdecken ließe, heißt es. Dennoch gebe es Alternativlösungen, die jedoch stärker beforscht werden müssten. Außerdem wird gewarnt, dass (gentechnische) Lösungsansätze, die das Gesamtsystem vernachlässigen, neue Probleme aufwerfen können.

Konventionelle Sorten oft ebenso resistent

Beim Gen-Raps wird hingegen auf dessen leichte Auskreuzung durch Samentransport und Pollenflug hingewiesen, die zu einer "sehr weitreichenden Verbreitung von GVO in natürlichen Populationen führen kann". Dem geringen Einsparungspotenzial an Pflanzenschutzmitteln beim herbizidtoleranten (gentechnisch veränderten) Raps stehe ein erhebliches Schädigungspotenzial durch die Verbreitung von GVO in natürlichen Genpools gegenüber. Die Halbwertszeit der GVO betrage "wahrscheinlich mehrere Jahrhunderte".

Wenig rosig auch die Einschätzung zum Bt-Genmais, von dem eine weitere Linie in Kürze in der EU zugelassen werden könnte. Dieser bekämpfe zwar den Maiszündler, doch spielten Ertragseinbußen durch diesen Schädling im Maisanbau nur eine untergeordnete Rolle. In weiten Teilen Österreichs und Deutschlands könne mit bestimmten Bodenbearbeitungsmethoden das Auslangen gefunden werden. Des weiteren leiste Bt-Mais keinen Beitrag zur Verringerung des Herbizideinsatzes. Von den gentechnisch veränderten Zuckerrüben wurden jene mit Resistenz gegen das Rizomania-Virus untersucht. Hier zeigen die Studienautoren auf, dass in den vergangenen Jahren auf konventionellem Wege äußerst zufriedenstellende virusfreie Zuckerrübensorten entwickelt wurden, sodass derzeit kein akuter Bedarf an diesen gentechnisch erzeugten Sorten gegeben sei. Insgesamt zog das Umweltbundesamt in Berlin aus der 147 Seiten starken Studie den Schluss, dass "die Landwirtschaft auf die meisten gentechnisch veränderten Pflanzensorten verzichten kann".

Am 10. Dezember veranstaltet das UBA in Wien eine internationale Expertentagung zum Thema "Risikoabschätzung von GVO in der Praxis". Mit dabei sind Vertreter der Europäischen Kommission, der Industrie, Wissenschaft sowie von internationalen NGO.