Zum Hauptinhalt springen

Halbwilde Steuerreform

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Bundesregierung plante eine Steuerreform zum Ende der Legislaturperiode, die Wähler sollten gnädig gestimmt werden. Sie hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. In der Gewerkschaft brodelt es schon seit längerer Zeit, die Betriebsräte bekamen den Zorn der Beschäftigten mit. Denn deren Löhne werden von der einen Seite durch die kalte Progression angeknabbert und von der anderen Seite durch ständig steigende Bundes- und Kommunalabgaben - von der Vignette bis zur Kanalgebühr. Dazwischen zerreibt es die ausgehandelten Kollektivvertragserhöhungen.

Nun gibt plötzlich die Politik Gas, vor allem die SPÖ und Landesorganisationen der ÖVP. Bis vor ein paar Wochen war von diesen Politikern nichts, gar nichts zum Thema Steuerreform zu hören. Nun kann es nicht schnell genug gehen. Unter anderem geht es für die Partei-Obleute der Regierungsparteien mittlerweile ums politische Überleben.

Ob Angst ein guter Ratgeber ist, darf bezweifelt werden. In vier, bestenfalls fünf Monaten sollen jene Reformen kommen, die jahrelang ausgeblendet wurden? Österreichs Fiskal- und Wirtschaftspolitik hat es sich gemütlich gemacht in den vergangenen Jahren. Der vollkommen antiquierte Finanzausgleich gilt seit 2007 und wurde von der Regierung zuletzt um ein Jahr verlängert. Ein verlorenes Jahr. Die Familienleistungen wurden erst jetzt sinnloserweise angehoben - weitere 800 Millionen Euro "Spielraum" sind weg.

Millionärssteuer gut und schön, aber die soll fünf Milliarden Euro bringen? Das glaubt nicht einmal die Gewerkschaft. Um eine Steuerreform zu finanzieren, müsste die Regierung deutlich in die Budgetstruktur eingreifen. Das tut sie nicht, wie die gültigen Budgetentwürfe für 2014 und 2015 zeigen.

Die Regierung hat folglich nicht die geringste Ahnung, woher der vielbeschworene "Spielraum" für eine Steuerreform kommen soll, die im Herbst in Grundzügen vorliegen muss. "I hab’ zwar ka Ahnung, wo ich hinfahr’, aber dafür bin ich g’schwinder dort", heißt es im Helmut-Qualtinger-Lied "Die Halbwilden" (© Gerhard Bronner).

SPÖ und ÖVP haben dies zum Konzept erhoben. Die Gewerkschaft hat derweil angekündigt, dass jetzt des Redens ein Ende ist - auch da ist sie den Koalitionsparteien weit voraus.