)
Berlin - Seit einem halben Jahr arbeitet die von der deutschen Bundesregierung und dem Berliner Senat eingesetzte 17-köpfige internationale Expertenkommission "Historische Mitte Berlin". Bis Jahresende soll sie eine Gestaltungs- und Nutzungskonzeption für das große, seit 10 Jahren im Herzen der Hauptstadt brachliegende Loch auf den Tisch legen. Dabei geht es nicht um den vordergründigen Streit um den Neuaufbau des zerstörten Hohenzollern-Schlosses einerseits oder die weitere Verwendung des mit der laufenden Asbestsanierung faktisch ruinierten Palastes der Republik (PdR) andererseits.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Arbeitsziel der Kommission ist es dieses historische Zentrum zu einem ost- und westverbindenden Ort der Kultur, der Kommunikation und der Verständigung zu machen. Erst müsse diese neue Funktion, die zukunftsorientierte Neuaneignung der historischen Mitte auf dem Weg zur inneren Einheit gefunden werden, dann könne man über die bauliche Form nachdenken.
Da hat sich der ehemalige Baustadtrat von Wien, der SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda, als Kommissionsvorsitzender eine nicht alltägliche Verantwortung aufgeladen. Optimistisch versprach er: "Wir werden nicht nach Hause gehen, ohne dass wir Berlin eine großartige Lösung angeboten haben". Vorerst ist Halbzeit. Die Expertenrunde noch durch sechs Politiker als "Moderatoren" verstärkt, tagte mehrfach intern und öffentlich, begutachtete das Schlossplatz-Terrain und die Asbestentsorgung im Palast, nahm Vorschläge von Bürgerinitiativen und Vereinen entgegen und kooperierte mit der Akademie der Künste, der Bundeszentrale für Politische Bildung und den Medien. Es wäre unrealistisch, mitten in der neubelebten Debatte schon Ergebnisse der Kommissionsarbeit zu erwarten. Aber es ist deutlich spürbar, dass man sich den entscheidenden Fragen nähert.
Raum gewinnt die Position, das einstige Hohenzollernschloss nicht originalgetreu wieder nachzubauen. Ein "konservativer" und replizierender Nachbau", eine "Schlosssimulation", eine "Kulisse" sei "Kitsch" und das falsche Signal, das "das Original entwerte". Aber der Nachbau von Teilen, die mit dem historischen Schloss in seiner Größe vergleichbar wären, sei denkbar.
Architektonische Zitate von Schloss und Palast seien vorstellbar. In einem Neubau an diesem symbolträchtigen Ort könnte ein europaweit einmaliges Museums- und Veranstaltungszentrum entstehen. Für einen solchen Neubau müsste ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben werden. Allerdings reichten Museen nicht aus, um den Platz auch abends zu beleben.
Letzte Juniwoche befasste sich die Kommission mit dem Palast. Von völligem Abriss ist nicht mehr die Rede. Die "Volkskammer" ist entsorgt, jetzt geht es an den "Großen Saal". Der Zeitrahmen wurde um ein Jahr verlängert, die Kosten steigen von geplanten 70 Millionen auf 100 Millionen DM. Ein Teilerhalt des Palastes nach der Sanierung scheint durchaus möglich. Schließlich repräsentiert die freigelegte Stahlkonstruktion noch 50 Prozent des ursprünglichen Gebäudewertes. Nicht nur Prof. Eisentraut, der Palastarchitekt, hielt die Verschrottung der wertvollen intakten Rohbaukonstruktion für nicht vertretbar. Und Prof. Wever, der wesentlich an der Entwicklung des "Großen Saales", mit seiner Wandelbarkeit von 250 bis 5000 Sitzen beteiligt war, sieht im Palast noch heute eine "Jahrhunderthalle". Seine Technologie sei auch heute noch in Europa einmalig und unerreicht. Auch Vorsitzender Swoboda will "etwas von innen erhalten", den Geist des Volkskulturhauses bewahren".
Auch mit dem "Umfeld" der historischen Mitte hat sich die Kommission in ihren letzten Beratungen beschäftigt, das als "unerfreulich", "unattraktiv" und "Berlins nicht würdig" empfunden wurde. Rings um den Schlossplatz sollen nun Wohnungen angesiedelt werden, um Leben auf Straßen und Plätze zu bringen, wenn im Schlossgebäude "Feierabend" sei.
Konsens wurde darüber erzielt, das Staatsratsgebäude der DDR zu erhalten und den dazugehörenden Garten öffentlich zugänglich zu machen. Die heftige Debatte über den Umgang mit dem Marx-Engels-Forum blieb ergebnislos.