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Halbzeitbilanz von ganz oben

Von Christian Rösner

Politik
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Sie schauen hinunter - weil sie auf dem höchsten Gebäude des Landes stehen.
© Rösner

Die Stadtspitze resümierte auf dem DC-Tower über 2,5 Jahre Koalitionsarbeit.


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Wien. Die rot-grüne Stadtregierung hat am Dienstag Halbzeitbilanz gezogen. Und zwar mit voller Mannschaft - mit Ausnahme von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny - und in rund 200 Meter Höhe. Denn die Pressekonferenz fand im künftig höchsten Gebäude Österreichs statt: auf dem derzeit in Bau befindlichen DC-Tower in Donaustadt.

Welche Symbolik auch dahinter stehen mochte, sie wurde mit dem für die Veranstaltung gewählten Motto "Hoch wie nie" konsequent durchgezogen. Auch das Wording von Bürgermeister Michael Häupl die Rot-Grün-Bilanz betreffend passte: "Wir heben uns - obwohl wir im Alltag angekommen sind - ganz positiv von dem Beziehungssystem der Bundesregierung ab", sagte Häupl zur "Wiener Zeitung".

Keine Erfolgsgeschichte

Vom gemeinsamen Arbeitsprogramm sei auf jeden Fall bereits rund ein Drittel erledigt worden, versicherte Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Einmal mehr hervorgehoben wurden hier etwa die 365-Euro-Netzkarte, die Ausbildungsgarantie, die Spitals- und Geriatriereform sowie die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung. Wobei hier Häupl - zum Unterschied von den Grünen - nicht unbedingt von einer Erfolgsgeschichte sprechen wollte: "Natürlich hätte man das besser kommunizieren müssen", meinte Häupl. Früher habe man zuerst lange diskutiert und dann das Parkpickerl eingeführt. "Jetzt haben wir die Ausweitung eingeführt und dann lange diskutiert", sagte das Stadtoberhaupt. Und: "Ob es das beste Modell war, weiß ich nicht. Aber in anderen Städten diskutieren sie über 50-prozentige Arbeitslosigkeit und wir über das Fahrradfahren. Da ist Wien schon eine sehr glückliche Stadt", so Häupl weiter.

"Besonders erfolgreich" war die Koalition für Häupl im Sozial- und Gesundheitsbereich. Und weil der Wahlkampf auf Bundesebene schon begonnen hat, konnte sich der Stadtchef einen Seitenhieb auf die ÖVP nicht verkneifen: Die Behauptung, Wien würde im Zusammenhang mit der bedarfsorientierten Mindestsicherung beim Sozialmissbrauch wegschauen, halte er "für einen Skandal allererster Güte" (tatsächlich gab es bei der Mindestsicherung seit 2011 einen Anstieg von 11 Prozent, Anm.). Laut Häupl habe aber Wien "in diesem Instrument der Armutsbekämpfung" weniger Dauerleistungsbezieher als Niederösterreich. "Bei uns werden vielmehr jene bezuschusst, die mit ihrem Einkommen oder ihrer Pension nicht auskommen. Die ÖVP sollte da einmal darüber nachdenken, warum das so ist. Dann empfehle ich ihr noch, einmal die christliche Soziallehre durchzulesen, vielleicht wird sie dann wieder normal", so Häupl.

SPÖ-interne Kritik, er habe sich von den Grünen in vielen Fragen überrollen lassen, lässt Häupl nicht gelten und erklärt diplomatisch: "Die Grünen dominieren das Fahrradthema. Gut. Und wenn ich mir anschaue, dass in Wien 40 Prozent mit dem öffentlichen Verkehr fahren und 6 Prozent mit dem Fahrrad, so hat das Rad natürlich seine Berechtigung im Stadtverkehr. Aber um wirklich Massenverkehr in einer Stadt bewältigen zu können, werden wir wohl den öffentlichen Verkehr vorantreiben müssen."

Jedenfalls hat nun die zweite Halbzeit der Stadtregierung begonnen - und es gibt noch einiges zu tun. Wie etwa die Teilinbetriebnahme des Krankenhauses Nord und die Verlängerung der U2 nach Aspern. Auch die angekündigte Änderung des Wiener Wahlrechts steht noch auf der Agenda sowie auch die Umsetzung des Stadtrechnungshofes, der ab 2014 das Kontrollamt ablösen soll. Bis zum Ende der Legislaturperiode sollen noch elf neue Campus-Schulen und sieben neue Pflegewohnhäuser fertiggestellt werden. Die Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung soll im Übrigen bereits heute, Mittwoch, von Finanzstadträtin Renate Brauner präsentieren werden.

Scharfe Kritik

Hart ins Gericht mit der rot-grünen Bilanz zog erwartungsgemäß die Opposition: "Leider sehen wir zur Halbzeit von Rot-Grün kein Licht am Horizont", erklärte etwa der Wiener ÖVP-Chef Manfred Juraczka. Seinen Angaben zufolge vergehe keine Woche, ohne dass ein neuer Skandal in Wien aufgedeckt werde. Aktueller Höhepunkt sei die Verurteilung von Wiener Wohnen wegen Umgehung des Vergaberechts. Und die Wiener Grünen hätten ihre Kontrollkompetenz vor Koalitionseintritt an der Garderobe abgegeben, so Juraczka weiter.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zog seine eigene Bilanz über Rot-Grün: "320.000 Menschen an oder unter der Armutsgrenze, 120.000 Arbeitslose, 144.000 Mindestsicherungsempfänger, eine Kinderarmut, die sich seit 2005 verdoppelt hat, und mehr als 30.000 Vormerkungen bei Wiener Wohnen." Außerdem werde seit 2010 durch den "Gebührenwucher" jede Familie mit 548 Euro pro Jahr zusätzlich belastet.

In diese Kerbe schlug auch die Wiener Wirtschaftskammerpräsidentin Brigitte Jank: "Pro Jahr müssen die Unternehmer 100 Millionen Euro an zusätzlichen Abgaben und Steuern an die Stadt abführen", kritisierte sie. Und das, obwohl laut Rechnungshofbericht viele Bereiche der Stadtverwaltung satte Einnahmenüberschüsse erzielen würden.