In jungen Jahren verkauft, schuftete eine Ägypterin in den USA für eine reiche Familie, bis die Behörden einen Tipp bekamen und eingriffen.
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Shyima Hall war eine Sklavin in den USA. Ihre Leidensgeschichte spielte sich aber nicht in der Zeit vor 1865 ab, als Sklaverei noch erlaubt war; sie trug sich vielmehr vor wenigen Jahren zu.
1998, als Shyima acht Jahre alt war, wurde sie von ihren Eltern an ein reiches Ehepaar in Kairo verkauft. Mit den 30 Dollar pro Monat, die ihre arme Familie aus dem Norden Ägyptens erhielt, zahlte sie einen Kredit für die medizinische Versorgung des Vaters zurück.
Nach zwei Jahren zog das betuchte Ehepaar nach Irvine in Kalifornien - laut dem US-Magazin "Businessweek" immerhin die fünftbeste Stadt der USA. Auf ihre Sklavin wollten die beiden dort nicht verzichten. Sie nahmen Shyima mit und behielten sie nach Ablauf ihres Touristenvisums heimlich bei sich.
16 Stunden täglich arbeitete sie für Nasser Ibrahim, seine Frau Amal Motelib und deren fünf Kinder. Sie schrubbte die Böden, kochte, wusch die Wäsche, bügelte, putzte und erledigte, was sonst noch so alles an Haushaltsarbeit anfiel. Erfüllte sie die überzogenen Ansprüche ihrer Eigentümer nicht, wurde sie geschlagen. Beschimpft wurde sie ohnedies. Für die Familie war sie "Dreck", und mit dem wohnt man nicht unter einem Dach. Also war Shyimas Quartier die Garage, ohne Strom und ohne Fenster. Dort lebte sie, dort schlief sie - ohne Heizung, auf einer abgenutzten Matratze, auch im kalten Winter. In die Schule wurde sie selbstverständlich nicht geschickt.
Als das Mädchen 13 Jahre alt war, erhielt die Polizei einen Hinweis von einem Nachbarn der Peiniger. Er hatte beobachtet, dass das Kind zwar ständig arbeitete, aber nie zur Schule ging. Shyima wurde befreit, sagte aber kein Wort, weil ihr eingeredet worden war, dass sie bei den Behörden verprügelt würde. Erst als sie ihre Familie in Ägypten anrufen durfte und der Vater ihr befahl, zu ihren Quälern zurückzukehren, regte sich der Widerstand in ihr. "Nein!", schrie sie ins Telefon und begann daraufhin den Polizisten ihre Geschichte zu erzählen.
Die Sklavenhalter wurden verurteilt. Shyima kam zunächst in ein Waisenhaus und wurde später von einer US-Familie adoptiert. Sie ging zur Schule, bekam einen Job.
Heute ist sie 22 Jahre alt und hat vor wenigen Tagen einen weiteren einschneidenden Moment erlebt: Sie wurde zur US-Staatsbürgerin. "Ich wusste früher nichts über Amerika", sagte sie der "Los Angeles Times". "Jetzt bin ich an einem tollen Ort." Ihr größter Wunsch ist es, für die US-Immigrationsbehörde im Bereich Menschenhandel zu arbeiten und dafür zu sorgen, dass ihr Schicksal anderen Menschen erspart bleibt.