Der Minister über Flüchtlinge, seinen Wechsel zum Verkehr und warum er der Schlüssel zu Industrie 4.0 ist.
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Wien. Ein glänzender Offizierssäbel im Regal und der "Eisenbahnatlas Österreich" auf dem Schreibtisch. Das sind die zwei Dinge, die einem im sonst eher nüchtern eingerichteten Büro von Verkehrsminister Gerald Klug (SPÖ) sofort ins Auge stechen. Auf ihre eigene Art und Weise erzählen sie auch die Minister-Laufbahn Klugs: Der Säbel, den sonst nur Offiziere bekommen, wie Klug betont, wurde diesem als scheidendem Verteidigungsminister im Jänner dieses Jahres überreicht. Der Eisenbahnatlas ist nun, seit er Verkehrsminister ist, sein Begleiter. Mit der "Wiener Zeitung" sprach der Steirer über seinen Wechsel vom Heer zum Verkehr, über selbstfahrende Autos, industrienahe Forschung und darüber, warum gerade sein Ministerium zum Schlüssel für die Modernisierung der Industrie avancieren soll.
"Wiener Zeitung": Herr Minister Klug, hat sich Ihr Verhältnis zu Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) verbessert, seit Sie nicht mehr ihr Spiegelminister sind?Gerald Klug: Es hat sich dahingehend verändert, weil wir thematisch kaum noch Berührungspunkte haben. Auf der persönlichen Ebene hat es sich nicht geändert, weil wir immer respektvoll miteinander gearbeitet haben. Nach außen ist vielleicht öfter der Eindruck entstanden ist, dass wir inhaltlich aneinandergeraten. Aber wenn man eine andere politische Position hat, muss man das auch aussprechen.
Wie erklären Sie sich, dass der jetzige Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) offenbar besser mit Mikl-Leitner harmoniert?
Der Faktor Zeit spielt bei diesen Entwicklungen eine entscheidende Rolle. Wir standen während meiner Ministertätigkeit in der Sicherheitspolitik am Anfang der Flüchtlingskrise und haben durchaus konstruktiv zusammengearbeitet und die Polizei breit unterstützt. Aber dort, wo ich der Meinung war, dass das Heer mehr Kapazitäten hat als das Innenministerium, wie bei der Koordinierung der Logistik, habe ich angeboten, dass wir das übernehmen sollten.
Wären Sie heute noch Verteidigungsminister, hätten Sie sich dann auch für eine Obergrenze ausgesprochen wie Ihr Nachfolger?
Ich hätte das nicht mit einer konkreten Zahl fixiert. Aber zur Orientierung und als Signal halte ich es für richtig. Ich glaube, dass wir bei einer tragbaren Verteilung auf alle Gemeinden noch Potenzial haben, wir müssen aber auch zu einer gerechten Verteilung in ganz Europa kommen. Österreich kann diese Herausforderung als eines der wenigen Länder neben Schweden und Deutschland nicht alleine schultern.
Sehen Sie sich als Opfer der Flüchtlingssituation?
Keinesfalls. Die Rahmenbedingungen in der Landesverteidigung während meiner dreijährigen Zuständigkeit waren eine große Herausforderung.
Das Infrastrukturministerium verfügt über ein deutlich höheres Budget - wie fühlt sich das an?
Vor allem freue ich mich, nach Hause gekommen zu sein - ich komme ja ursprünglich aus der Industrie. Und ich freue mich, dass ich meine Erfahrungen aus der Spitzenpolitik in die industriepolitische Aufgabe mitnehmen kann: In den nächsten Jahren investieren wir 25 Milliarden Euro in strategisch wichtige Netze wie Straße, Schiene und Kommunikation. Durch meine Tätigkeit in der Gewerkschaft sind mir die Veränderungen in der Produktion bekannt - und die Herausforderungen, die Industrie 4.0 bringt.
Die Automatisierung der Produktion bedeutet, dass Roboter einfachere Tätigkeiten übernehmen. Das kostet Arbeitsplätze. Welche Jobs entstehen stattdessen? Wird es Förderungen für Umschulungen geben?
Ich schließe nicht aus, dass wir Programme aufstellen, die den Um- oder Einstieg unterstützen. Dabei sollten wir aber nicht nur an Umschulungen denken, sondern auch Basisausbildungen bieten. Zunächst müssen wir festlegen, welche neuen Qualifikationen wir brauchen, um in Zukunft als Industriestandort am Markt reüssieren zu können. Aus heutiger Sicht werden sich Angestellte im akademischen Bereich, Engineering und Forschung weiterentwickeln und Arbeiter Leitstand-Tätigkeiten übernehmen.
Voraussetzung sind leistungsfähige Netze zur Datenübertragung. Besonders auf dem Land hat Österreich hier Defizite. Wie kommt der Ausbau des Breitband-Internet voran?
Um Defizite in der Leistungsfähigkeit von Breitband abzubauen, steht eine Milliarde Euro zur Verfügung. Bis 2020 wollen wir die Infrastruktur für eine Datenübertragungsrate von 100 MBit pro Sekunde flächendeckend aufstellen. Wir werden dazu stärker mit den Bürgermeistern zusammenzuarbeiten.
Zuletzt wollten die Gemeinden dafür nicht zur Kasse gebeten werden. Hast sich etwas geändert?
Wir haben gerade die erste Ausschreibungsrunde abgeschlossen. Künftig müssen wir die Fördervergabe einfacher gestalten. Wir haben eine Servicestelle eingerichtet und werden Gespräche suchen.
Auch für die Vision autonom fahrender Autos benötigt man ein starkes Breitband-Internet. Wie werden wir künftig reisen?
Im Bereich automatisiertes Fahren hat Österreich viel Know-how. Nun bündeln wir in vier Arbeitsgruppen mit der Industrie alles, was wir benötigen, um in die Umsetzung zu kommen. Ich hoffe, dass wir bis Sommer die gesetzliche Basis schaffen und noch heuer Teststrecken eröffnen können, damit wir bei der Entwicklung möglichst vorne dabei sind. Ein Ziel ist sicheres, automatisiertes Fahren im Stadtverkehr.
Bis Mitte April beschließt die Regierung den Finanzrahmen bis 2020. Welche Bereiche wollen Sie im Bereich Forschung und Entwicklung stärken, damit Österreich Innovationskaiser wird?
Grundsätzlich sind wir in der Forschung auf einem guten Weg. Immerhin stehen wir mit 3,01 Prozent Forschungsausgaben des Bruttoinlandsprodukts in Europa auf Platz vier. Wir haben uns aber vorgenommen, bis 2020 das Ziel von 3,76 Prozent zu erreichen - da haben wir Luft nach oben. Die angewandte, industrienahe Forschung ist mit 500 Millionen jährlich grundsätzlich gut aufgestellt. Wir täten aber gut daran, das weiter zu stärken. Sie hat einen hohen Multiplikator-Effekt: Ein Euro an Investitionen bringt 9,2 Euro an Unternehmensumsätzen.
Auch die Verkehrsinfrastruktur zählt zu Ihrem Aufgabengebiet. Sind Sie für eine stärkere Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene?
Infrastruktur sollte als Standortfaktor außer Streit gestellt werden. Es ist entscheidend, sie in der öffentlichen Hand zu halten. Bei der Autobahn werden wir zuerst Lücken schließen. Und was die Bahn betrifft, werden derzeit 31 Prozent der Güter damit transportiert. Wir wollen bis 2030 innerstaatlich 40 Prozent erreichen. Allerdings ist Verkehrspolitik eine europaweite Frage, wir müssen eine intensive Zusammenarbeit bei den Transitrouten anstreben und Korridore stärken.
Wollen Sie die Proteste der Umweltschützer gegen den Semmering-Basistunnel nicht ernst nehmen?
Selbstverständlich gibt es Anrainer-Rechte, die wir ernst nehmen. Aber der Umsetzung eines Großbauvorhabens gehen lange Planungen voraus und Überlegungen, was ein Ausbau für die Republik und für den Süden Österreichs bedeutet. Die Entscheidungen wurden getroffen, sie sind richtig und die Realisierung ist meine Aufgabe.
Eine Frage an Sie als Steirer: Wie konnte es passieren, dass der ehemalige Landeshauptmann Franz Voves im Juni des Vorjahres seinen Sessel für Hermann Schützenhöfer (ÖVP) geräumt hat, obwohl die SPÖ Wahlsieger war?
Das ist die steirische Gretchenfrage. Ich war erst ab dem erweiterten Landesparteivorstand an jenem Tag im Juni eingebunden, und da habe ich gegen dieses Ergebnis gestimmt. Wir haben jetzt viel Arbeit vor uns, das Vertrauen in die SPÖ-Steiermark zu stärken. Klar ist, dass wir bei der nächsten Wahl mit dem Ziel antreten, den Landeshauptmann zurückzuerobern.
Zur Person
Gerald Klug
Der frühere Verteidigungsminister ist seit 26. Jänner Minister für Verkehr, Innovation und Technologie. Seit 1990 ist der Steirer Mitglied der Gewerkschaft PRO-GE, seit 2005 vertritt er die SPÖ und die Steiermark im Bundesrat. 2008 übernahm er die Funktion des Klubvorsitzenden-Stellvertreters der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion. Als 16-Jähriger absolvierte er eine Lehre als Dreher, danach studierte er Jus.