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Bauernbund sieht sich ausgebremst. | Aufregung um Sebastian Kurz. | Was Richter und Rektoren sagen. | Wien. "Bitte hinter die weiße Linie treten. Das hier ist die magische Grenze." Die Mitarbeiter der ÖVP-Parteiakademie hatten am Dienstag am Wiener Tivoli alle Hände voll zu tun, um die große Schar an Journalisten, Kameraleuten und Fotografen vom Eingangsbereich fernzuhalten.
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Der Grund des regen Andrangs: Der designierte Vizekanzler und Obmann der Volkspartei, Michael Spindelegger, hat den Bundesparteivorstand zur Abstimmung über das neue Regierungsteam geladen. Gekommen sind sie alle - mit der Presse vorab sprechen durften allerdings nur wenige. Vor allem über die überraschende Bestellung des 24- jährigen Wiener JVP-Chefs Sebastian Kurz zum neuen Integrationsstaatssekretär gingen die Wogen vor und nach der Sitzung hoch. "Ob die Wahl gut ist, wird von der Öffentlichkeit zu beurteilen sein", meinte etwa der steirische ÖVP-Obmann Hermann Schützenhöfer und fügte hinzu: "Ich hätte gern Reinhold Lopatka (Finanzstaatssekretär aus der Steiermark, Anm.) in dem Team gesehen."
Mäßig begeistert zeigte sich auch der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer: "Ich denke, dass sich das unser Vizekanzler gut überlegt hat", meinte er kryptisch. Keine Freude mit der Reduzierung des Bauernbundes auf eine Person in der Regierung - Niki Berlakovich bleibt als Landwirtschaftsminister erhalten, Josef Pröll und Fritz Kaltenegger wechseln in die Privatwirtschaft - hat ihr Obmann Fritz Grillitsch. Geht es nach ihm, so sollte der Bauernbund "natürlich mit möglichst vielen Personen repräsentiert sein". Zur Bestellung von Kurz wollte er nicht viel sagen. Nur so viel: "Ich wünsche dem Sebastian alles Gute."
Lob für Justizministerin
Dass Sebastian Kurz das Amt des Integrationsstaatssekretärs gut meistern werde, davon zeigte sich hingegen der scheidende Parteichef und Vizekanzler Josef Pröll überzeugt. "Das ist eine gute Entscheidung und ein klares Signal an die Jugend", meinte er. Spindelegger habe sein neues Team gut zusammengestellt. Und: Er selbst habe darauf keinen Einfluss ausgeübt, sagte Pröll. "Mit einem lachenden und weinenden Auge" kommentierte hingegen dessen Onkel, Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, die Regierungsumbildung. Sie sei ein "Signal an die Zukunft", auch wenn er mit Soziallandesrätin Johanna Mikl-Leitner eine "enge Mitarbeiterin ziehen lassen" müsse. "Das ist mir nicht leicht gefallen", so der ÖVP-Landeschef.
Lob für Kurz fanden wiederum Seniorenbund-Chef Andreas Khol und die Obfrau der ÖVP Wien, Christine Marek. Beide bezeichneten die Nominierung des 24-Jährigen als "mutig" und als wichtiges Signal an die urbane Jugend. Einen "großen Sprung nach vorwärts" nannte ÖAAB-Generalsekretär und JVPler Lukas Mandl die Berufung des Jusstudenten in die Regierung.
Für ein offenes Gespräch mit Kurz bereiterklärt hat sich am Dienstag die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich. "Er bekommt selbstverständlich die Chance, dass er Konzepte liefert", erklärte Integrationsbeauftragter Omar Al-Rawi. Gleichzeitig rief er in Erinnerung, dass sich Kurz früher mit islamfeindlichen Aussagen profiliert habe.
Vonseiten der Rechtsanwälte äußerst positiv aufgenommen wurde wiederum der Wechsel im Justizministerium. Die Bestellung von Beatrix Karl sei "uneingeschränkt zu begrüßen". Sie sei eine "profunde Juristin und Wissenschafterin" mit der nötigen politischen Erfahrung. Die Anwälte seien "sicher", dass sie die Probleme "ohne Verzug in Angriff nehmen wird und bewältigen kann", sagte Gerhard Benn-Ibler, Präsident des Rechtsanwaltskammertages, am Dienstag.
"Völlig unvoreingenommen" steht Richter-Präsident Werner Zinkl der neuen Justizministerin gegenüber. Er werde sie "an ihren Taten messen", erklärte er. Um das Ansehen der Justiz wieder zu heben, sollte sie einen "Rat der Gerichtsbarkeit" einrichten und auf das Weisungsrecht gegenüber Staatsanwälten verzichten.
ÖH ist skeptisch
Vorschuss-Lorbeeren gab es indes für den bisherigen Rektor der Universität Innsbruck und nun designierten Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle. Er erachte ihn als "Verbündeten" und kompetenten Kollegen, sagte der Chef der Universitätenkonferenz, Hans Sünkel, und kündigte an, demnächst seine Forderungen an den Neo-Minister richten zu wollen.
Die ÖH sieht die Latte für den neuen Wissenschaftsminister "nach den Vorgängern Gehrer, Hahn und Karl nicht sehr hoch liegen". "Wir erleben nun den dritten Minister innerhalb von zwei Jahren und erwarten uns endlich Taten anstatt reiner Ankündigungspolitik", sagte ÖH-Chefin Sigrid Maurer.