Der Gaza-Krieg geht weiter, weil beide Seiten auf unvereinbaren Bedingungen für eine dauerhafte Waffenruhe beharren.
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"Wir haben gewonnen und den Feind (Israel) besiegt", prahlte Hamas-Führer Muschir al-Masri nach Beginn der Waffenruhe in Gaza. In einem Punkt hat Al-Masri recht: Die Hamas hat den Psychokrieg der laufenden Bilder gewonnen: Täglich flimmern weltweit Bilder von Explosionen, Ruinen, verzweifelten Ausgebombten, zerstörten Spitälern und UNO-Schulen in Gaza über die Bildschirme. Diese Bilder der Verwüstung erinnern an Wiener Neustadt 1943 oder Warschau 1944. Rotkreuzchef Peter Maurer klagte in Gaza, "noch nie so gewaltige Zerstörungen gesehen zu haben".
Alles nur "Kollateralschäden", weil die Hamas ihre Raketenrampen und Waffenlager in Wohnvierteln tarnt und deshalb für den Tod hunderter Zivilisten verantwortlich ist? Rund 3500 nach Israel geschossene Hamas-Raketen richteten nicht annähernd solche Schäden an. Sie töteten "nur" drei Zivilisten. TV-Teams finden eben Horrorszenen in Gaza und nicht in Israel.
Aufrechnen gilt nicht, dennoch trifft Israel ungleich härtere Kritik als die Hamas, die ihren "Sieg" bejubelt. Die Hamas ist zwar schwer angeschlagen, doch längst nicht geschlagen. Israel zerstörte 32 ihrer bis zu zwei Kilometer langen Grenztunnel für Nachschub an Waffen sowie an die 3000 Raketen, aber nicht alle. Ebenso wenig ist die Hamas entwaffnet. Also wütet der Gaza-Krieg weiter, weil der Ansatz zu Verhandlungen über eine Waffenruhe wegen der Kompromisslosigkeit beider Seiten gescheitert ist. Israel rückt kein Jota von seiner Forderung ab, dass die Hamas entwaffnet und Gaza kontrollierbar waffenfrei werden müsste.
Das brächte aber die Hamas um die "Legitimation" ihres Ziels, Israel zu zerstören. Sie verlöre den immer noch verblüffend starken Rückhalt in der dschihadistisch indoktrinierten Bevölkerung sowie die Sympathie anderer Dschihadisten und die reichlich fließenden Petrodollars aus Katar. Hingegen verlangt die Hamas als Voraussetzung für ernsthafte Verhandlungen, dass Israel die seit 2007 bestehende Blockade Gazas zur See und auf dem Land beenden soll. Ginge Israel darauf ein, dann hätte es allerdings den Gaza-Krieg umsonst geführt, weil dann alle Grenztunnel überflüssig wären. Israels Bedingung für Ruhe an der Südfront ist die vollständige Entmachtung der Hamas.
Der Gaza-Krieg löste auch Rumoren im Westjordanland aus. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas schloss nämlich im Juni Frieden mit der Hamas, die nun in der Palästinenserregierung sitzt. Im Gaza-Krieg beschränkte sich Abbas darauf, hinter den Kulissen für einen Kompromiss zu werben - erfolglos. Und der Palästinenserpräsident steht machtlos vor der Ankündigung Israels, im Westjordanland den 126 jüdischen Siedlungen noch 1400 Wohnungen hinzuzufügen. Daher parken der vielbeschworene Friedensprozess und eine Zwei-Staaten-Lösung auf dem Abstellgleis.
Gut gemeinte Ratschläge helfen ebenso wenig wie der Appell Deutschlands, Frankreichs und Englands an die Kontrahenten, doch zu verhandeln. Die Fronten sind starr, weil die Hamas ihren Raketenkrieg fortsetzt und Israel massiv zurückschießt. Also steigen die "Kollateralschäden", und die Hamas punktet im Psychokrieg der laufenden Bilder.