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Hamas setzt auf neue Taktik

Von Ines Scholz

Politik

Nach der Ermordung der beiden Hamas-Führer Scheich Ahmed Yassin und Abdelaziz Rantisi auf Befehl des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon hat die neue Hamas-Führung, deren Zusammensetzung offiziell weiterhin geheim gehalten wird, neue Sicherheitsrichtlinien herausgegeben, die ihr das Schicksal der beiden Vorgänger ersparen sollen.


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Die Palästinenserorganisation Hamas bereitet sich mit einer Überlebensstrategie auf weitere israelische Angriffe zur "Liquidierung" ihrer Führer vor. Nach am Montag veröffentlichen Berichten hat die militante Bewegung eine neue Generation von Anführern in Bereitschaft gesetzt und das Abtauchen in den Untergrund verstärkt. Dies bestätigten Hamas-Kreise gegenüber der Zeitung "Al Hayat".

Autos werden demnach nur mehr in absoluten Notfällen benutzt. Die neue Führung reagiert damit auf die Tatsache, dass Israel die meisten Hamas-Mitglieder durch Raketenangriffe auf deren Fahrzeuge getötet hat; zuletzt starb Rantisi auf diese Weise. Darüber hinaus wurde allen Beteiligten die Nutzung von Mobiltelefonen untersagt. Als weitere Maßnahme beschloss die Hamas den kompletten Austausch der Wachmannschaften ihrer Führer, da es zuletzt den Verdacht auf Kollaborateure in den eigenen Reihen gab. Hamas-Leute tragen künftig auch keine Uniformen oder Abzeichen mehr, um ihre Mitgliedschaft zu verschleiern.

Neuer Führungszirkel

Die neuen Taktiken wurden nach dem Zeitungsbericht noch unter Rantisi ausgearbeitet, der wie sein Vorgänger Yassin in Gaza-Stadt von Israel "gezielt getötet" worden war. Yassin wurde am 22. März liquidiert, Rantisi knapp vier Wochen später am 17. April. Sein Nachfolger wird - auch eine neue Sicherheitstaktik - offiziell nicht bekannt gegeben; dennoch ist es ein offenes Geheimnis, dass Rantisis bisheriger Stellvertreter Mahmud Zahar die politische Führung der Organisation im Gaza-Streifen übernommen hat. Er ist Mitbegründer der Mitte der 80er Jahre entstandenen Hamas. Als sein Vize kursiert der Name Ismail Hania (Ismail Haniyeh), die einst rechte Hand Yassins, als Nummer Drei der Hierarchie rangiert (hinter vorgehaltener Hand) Said Siam, der vor allem für die Kontakte mit den anderen Palästinenserorganisationen wie der Fatah und dem Islamischem Jihad verantwortlich sein wird. Darüber hinaus wurden zahlreiche Mitglieder des sozialen Flügels der Hamas aufgewertet, um im Falle eines Mordanschlags auf ein Führungsmitglied sofort einspringen zu können.

Erwartet wird, dass sich die neue Führung um Zahar um bessere Kontakte mit der Fatah von Palästinenserpräsident Yasser Arafat bemühen wird als die bisherigen Führungen. Arafat hatte vor dem Hintergrund der sich radikalisierenden Politik Israels - Stichwort Sperrwall, geplante Annexion weiter Teile des Westjordanlandes, Liquidierung palästinensischer Aktivisten - der Hamas eine engere Kooperation bereits vorgeschlagen. Ein Grund, so wird vermutet, dass Israel, das gestern seinen 56. Unabhängigkeitstag beging, nun auch ihm offen mit der Ermordung droht.