Zum Hauptinhalt springen

Hamburg, Hartz IV und Guttenberg bringen Merkel & Co. in Turbulenzen

Von Markus Kauffmann

Analysen

"Hamburg ist wieder rot", titelt die "Neue Zürcher Zeitung" in ihrer Online-Ausgabe. Mit Ausnahme der knapp zehn Jahre Regentschaft des Unionspolitikers Ole von Beust war Hamburg mehr als fünf Jahrzehnte eine Hochburg der Sozialdemokraten. Nach dem unerwartet plötzlichen Rücktritt des beliebten von Beust und dem Absprung der Grünen aus der ersten schwarz-grünen Koalition treten seit Sonntag gewissermaßen wieder "frühere Verhältnisse" im Stadtstaat ein. SPD und FDP jubeln, die Grünen knabbern an ihrem Erfolg, und die CDU knirscht.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Obwohl die Bürgerschaftswahl eindeutig von regionalen Themen (zu mehr als 80 Prozent) bestimmt war, läutet sie doch eine ganze Serie von Landtagswahlen im heurigen Jahr ein. Die Sozialdemokraten konnten sich - nach langer, quälender Durststrecke - keinen besseren, die Christdemokraten keinen mieseren Start in dieses kleine Wahljahr wünschen, wobei Letztere fast halbiert wurden. Die FDP hat Selbstbewusstsein getankt, weil sie nach sieben Jahren Abstinenz wieder in die Bürgerschaft einzieht, und die Grünen ärgern sich grün und blau, weil sie zum Regieren nun doch nicht gebraucht werden.

In den vergangenen Tagen ballten sich spektakuläre Ereignisse mit unterschiedlichem Signalcharakter. Shooting-Star Karl-Theodor zu Guttenberg musste unter dem Druck von Plagiatvorwürfen den Doktortitel sistieren, Koalition und SPD einigten sich endlich auf die heiß umstrittene Hartz-IV-Reform, die bereits zweimal im Bundesrat beinahe gescheitert wäre, und jetzt eben die Wahl in der Hansestadt.

Auf den ersten Blick machen alle drei Ereignisse der Kanzlerin und ihrer Koalition das Leben nicht gerade leichter. Bei Guttenberg geht es um Glaubwürdigkeit, bei Hartz IV stört das peinliche Gerangel um ein paar Euro den Jubel über die Einigung, und Hamburg zeigt, wie schwer es die Union nach wie vor im städtischen Milieu hat.

Doch aus der Nähe betrachtet scheint die Lage differenzierter: Eine Zweidrittelmehrheit steht laut einer Forsa-Umfrage zum Verteidigungsminister, der nicht nur seinen Platz eins in der Beliebtheitsskala behalten hat, sondern ihn sogar noch ausbaut. Merkel: "Ich habe ihn zum Verteidigungsminister gemacht und nicht zu einem wissenschaftlichen Assistenten." Hartz IV bestätigte letztlich die Haltung von Sozialministerin Ursula von der Leyen. Zumindest aber steht die SPD jetzt in Mithaftung, falls eine neue Verfassungsklage erfolgreich sein sollte. Und ob Hamburg einen Trend vorgibt, wird sich spätestens in einem Monat in Sachsen-Anhalt zeigen, wo die CDU derzeit mit 31 Prozent noch um 9 Punkte vor der SPD liegt.

Wie auch immer, das Regieren wird für Merkel & Co. nicht einfacher werden. Denn in einem Wahljahr sind Frontverläufe, Gemengelagen und Rücksichtnahmen einfach zu divergent.

Siehe auch:SPD-Triumph macht Hamburg rot

+++ Koalition mit SPD über Hartz IV einig

+++ Merkel vertraut Guttenberg 'voll'