SPD gibt sich wirtschaftsorientiert. | Olaf Scholz ist klarer Favorit. | Hamburg. Schon die Architektur sieht nach hanseatischer Kühle aus statt nach prallem Leben. Ein paar Meter von der Hamburger Speicherstadt mit den neugotischen roten Backsteinfassaden, den Erkern und Türmchen entfernt stößt man auf klare Linien. Die neuen Bauten mit Büros und Wohnungen säumen das Hafenbecken hin zur Baustelle der Elbphilharmonie, dem geplanten Prunkstück der Hafencity. | Scholzomat als Hoffnung für Hamburgs SPD
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Heruntergekommen war es hier vor zwanzig Jahren, dreckig und ölig. Nun ist die Hafencity das größte Städtebauprojekt Europas. Im Norden grenzt der Stadtteil mit seinen Fluss- und Kanalläufen an die Innenstadt, im Süden und Westen an die Elbe. Hamburg will hoch hinaus.
Der langjährige Bürgermeister Ole von Beust (CDU) habe die Stadt "aus dem Dornröschenschlaf geweckt", schwärmt Beusts Kurzzeit-Nachfolger Christoph Ahlhaus. Das Symbol dafür soll die Elbphilharmonie sein. Auf dem einstigen Kakaospeicher errichten die Schweizer Architekten Herzog & de Meuron gerade ein mächtiges Konzerthaus mit viel Glas und geschwungenen Formen -- und für viel Geld. Der Bau wird laufend teurer. Ursprünglich hatte man mit knapp 187 Millionen Euro gerechnet, nun werden die Kosten für den Steuerzahler auf mindestens 350 Millionen Euro geschätzt. Eine Alternative gebe es jetzt nicht mehr, sagt der Hamburger SPD-Chef und frühere Arbeitsminister Olaf Scholz. Das Gebäude sei ja fast fertig. Aber auf wessen Konto das gehe, lässt er bei keiner Gelegenheit unerwähnt: "Die CDU hat den moralischen Kredit verspielt."
Schwere Schuldenlast
Hamburg ist schwer verschuldet. Das Minus liegt bei 24 Milliarden Euro, dazu kommt eine Zinstilgungsrate von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr. Kulturstätten wie das Altonaer Museum und etliche Bezirksbibliotheken drohten geschlossen zu werden. Hilfen und Garantien in Milliardenhöhe gingen an den von der Finanzkrise schwer gebeutelten weltweit größten Schiffsfinanzierer, die HSH Nordbank. Die Preise für Wohnungen schießen gleichzeitig in die Höhe.
So geht es Scholz zwar um "Gerechtigkeit", doch für die Wahl des Landesparlaments - der Bürgerschaft -- am Sonntag präsentiert er sich und seine Partei betont als wirtschaftskompetente Mannschaft, personifiziert vor allem im parteilosen bisherigen Handelskammerchef Frank Horch. Er soll der künftige Wirtschaftssenator werden.
Es sieht gut aus für die Sozialdemokraten. In den Umfragen standen sie bei 45 Prozent. Vielleicht ist sogar eine absolute Mehrheit drinnen -- und falls nicht, wird Scholz eine Koalition mit den Grünen bilden.
Neun Jahre lang war die SPD in Hamburg, das sie seit 1946 fast ununterbrochen regiert hatte, fast von der Bildfläche verschwunden. Mit Ole von Beust hatten die Konservativen den richtigen Mann gefunden. Er regierte zunächst zusammen mit den Liberalen und der rechtspopulistischen Partei von Ronald Schill.
Nach der anschließenden Alleinregierung tat sich von Beust 2008 mit den Grünen zusammen. Die Regierung zerbrach Ende November. Der Niedergang der Koalition begann, als im vergangenen Sommer die Regierung an ihrer Schulreform scheiterte. Ein Volksentscheid verhinderte die geplante sechsjährige Primarschulzeit: Rege hatten sich die Bewohner traditionell-konservativer Viertel an der Abstimmung beteiligt.
Kurz zuvor hatte von Beust seinen Rückzug angekündigt. Der geborene Heidelberger Christoph Ahlhaus trat die Nachfolge an. Doch Ahlhaus sei, sagt ein Hamburger, schlicht zu "süddeutsch" für die Hanseaten. Würde erneut von Beust antreten, der spröde Scholz hätte kein vergleichbar leichtes Spiel. So aber "zappelt die CDU nahezu hilflos der Wahl entgegen".
"Solide Finanzen" sind das Kernthema von Scholz. Dafür spielt freilich die Entwicklung des Hafens eine wesentliche Rolle. Damit große Frachter keine Probleme haben, Hamburg anzufahren, muss die Fahrrinne weiter angepasst werden, das steht für Scholz -- und auch für Ahlhaus -- außer Streit.
Grüne ohne Alternative
Den Grünen gefällt die geplante Elbvertiefung aus ökologischen Gründen weniger. Aber was sollen sie machen. Die Partei ist ohnehin vergleichsweise leise. Die Schulreform ist gescheitert und das Kohlekraftwerk Moorburg wurde auch nicht verhindert. Den Bau einer Stadtbahn lehnt Scholz ab. Und wie stark die Handschrift der Grünen im Fall einer Regierungsbeteiligung bei einem der Leib- und Magenthemen von Scholz - "bezahlbare Wohnungen bauen" - sein wird, bleibt abzuwarten. "Energetisch wertvoll" wäre nicht gerade am kostengünstigsten.
Es sind Hamburger Themen, die den Wahlkampf prägten. Doch ein gutes Ergebnis könne ein gutes Signal sein für die gesamte SPD, sagt Scholz: Sechs Landtage werden heuer in Deutschland noch gewählt.