Zum Hauptinhalt springen

Hand in Hand auf Jobsuche

Von Petra Tempfer

Wirtschaft
Der Weg in eine erfolgreiche Zukunft ist ein langsam wachsender Prozess. Wird er unterbrochen, droht die Karriere zu verkümmern.
© fotolia

Sozialminister will finanzielle | Mittel für Jobförderung erhöhen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. "Ich hatte Lernschwierigkeiten, war in Therapie und wusste absolut nicht, was ich später einmal machen soll", erzählt die 17-jährige Kerstin. Vor dem Schnuppertag in einer Gärtnerei, den ihr ein Jugendcoach vorgeschlagen hatte, hatte sie einfach nur Angst. "Jetzt weiß ich, dass es ein cooler Lehrberuf wäre - und dass Angst nichts bringt", sagt Kerstin.

Sie ist eine von 660 schwer vermittelbaren Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren, die am Eingliederungsprogramm "Neba" (Netzwerk berufliche Assistenz) des Bundessozialamtes teilgenommen hat. Die "Neba"-Schnuppertage fanden im Juni und Juli dieses Jahres statt, 149 Unternehmen gewährten Jugendlichen je einen Tag lang Einblick in ihren Betrieb. Die meisten wählten Traditionsberufe wie Einzelhandelskaufmann, gefolgt von Bürokaufmann und Kfz-Mechaniker. Sozialminister Rudolf Hundstorfer zog am Dienstag Bilanz - und verkündete im Zuge dessen, dass die Mittel für Jobförderungen von benachteiligten Jugendlichen von heuer 160 auf 170 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt werden sollen. Ein Teil des Geldes werde dafür verwendet, die "Neba"-Schnuppertage in den kommenden Jahren weiterzuführen.

"Keiner soll zurück

gelassen werden"

Als benachteiligte Jugendliche gelten nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch jene, die von ihrer Familie nicht unterstützt werden und/oder denen Grundkompetenzen fehlen. "Keiner soll zurück gelassen werden", sagte Hundstorfer. Jeder solle nach der Pflichtschule eine Ausbildung absolvieren. "Aber", so der Sozialminister zur aktuellen Diskussion über eine Bildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr, "man darf sich nicht an einem Lebensalter festkrallen". Vielmehr müsse den Jungen klar werden, dass die Arbeit als ungelernte Hilfskraft für eine lebenslange Karriere nicht ausreiche.

Der Weg dahin ist weit - treten doch derzeit etwa 15.000 Jugendliche eines Altersjahrgangs, also 15 Prozent aller Pflichtschulabgänger - keine berufliche oder weiterführende Ausbildung an. Ein Teil dieser Jugendlichen bleibt für immer dem Arbeitsmarkt fern und nimmt auch keine unterstützende Maßnahme in Anspruch. Sie werden zu Neets (not in Education or Employment).

Im EU-Vergleich nimmt Österreich bei der Jugendarbeitslosigkeit zwar eine Spitzenposition ein - 9,3 Prozent ist der zweitniedrigste Wert hinter Deutschland -, die Zahl der Arbeitslosen mit gesundheitlicher Vermittlungseinschränkung ist im Juli allerdings um 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Vielleicht mit ein Grund: Drei von vier Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe (mehr als 25 Mitarbeiter) zur Aufnahme beeinträchtigter Personen verpflichtet wären, tun dies nicht, sondern zahlen lieber eine Pönale von bis zu 355 Euro pro Monat. Auch hier liegt Österreich im europäischen Spitzenfeld - allerdings im negativen Sinn.

Um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen und Jugendliche in der Ausbildung zu halten, sind Schnuppertage freilich zu wenig. Das Bundessozialamt hat vor zwei Jahren auch das Jugendcoaching eingeführt, das seit dem Vorjahr flächendeckend in allen Bundesländern angeboten wird. Dabei gehen Sozialarbeiter und -pädagogen direkt in die Schulen, um Jugendliche, die Hilfe benötigen, bei der Wahl eines Berufes oder einer weiteren Ausbildung zu beraten. 2012 wurden laut Hundstorfer rund 15.000 Jugendliche betreut, heuer waren es allein im ersten Halbjahr 13.000.

"Besonders Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf brauchen eine intensive Vorbereitung auf das Berufsleben", meint dazu Regina Moritz, Lehrerin an einem sonderpädagogischen Zentrum (SPZ) in Wien, zur "Wiener Zeitung". In einem SPZ können Pflichtschulabsolventen freiwillig ein 10., 11. und 12. Schuljahr absolvieren. Moritz’ Erfahrung aus dem Schulalltag: "Schnuppertage sind nur ein kleiner Teilbereich. Jugendlichen müssen vor allem lernen, im Alltag pünktlich zu sein und was es heißt, jeden Tag zur selben Zeit in die Arbeit zu fahren. Ein Lernprozess, der mitunter Jahre dauert."