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Manche Sendungen klingen nach, haben den richtigen Ton getroffen in unserem Gemüt und werden dort zu Musik. So (uns) passiert am Montag zwischen 19.30 und 20.15 Uhr auf Bayern. Die Serie heißt "Lebenslinien" und wurde hier schon mehrmals besprochen und empfohlen. Ein stiller, in der immer ärger werdenden Krawall-TV-Landschaft beinah exotisch wirkender Film machte uns mit "Jutta Bartky, Schreib- und Texterservice" bekannt. Sie ist 41, wohnt am Prenzlauer Berg, berlinert schwer, ist eher fettleibig als dick, hat aber jede Menge Charme und Grips zum hübschen Gesicht; vor allem jedoch die Gabe, Gefühle und sonstige Problemchen ihrer Mitmenschen zur Sprache zu bringen und zum Schriftstück werden zu lassen. Ihr Firmenlogo "Büro eins, zwei, drei - sorgenfrei" schien uns anfangs etwas übertrieben, doch am Ende konnten wir es nur unterschreiben. Ihr erster Klient: Ein Mann, der sich in eine Buchhändlerin in Wroclaw verliebt hatte und ihr mit einem professionell verfassten Liebesbrief seine Gefühle und Absichten erklären wollte, war am Ende des Films nicht nur sorgenfrei, sondern, wie die Fotos zeigten, ziemlich gut verheiratet. Um erfolgreich ans wirkungsvolle Schriftstück gehen zu können, muss die Schreiberin für stimulierendes Ambiente sorgen. Da sitzt sie dann fein gekleidet vorm Blatt Papier, hat linkerhand eine schöne Kerze brennen und rechts ein Foto des versorgt werden wollenden Auftraggebers zur Hand. Sie selbst? Hat mit einem symphatischen Mann aus Skopje ein Putzerl, um das man sich rührend kümmert und macht ihr Einfühlungsvermögen auf professionell-liebenswerte Art und Weise zum nötigen Kleingeld. Ein Stück TV, das zum schwersten und schönsten gehört, wenn es gelingt: ein Menschenbild.