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Hände weg von St. Hanappi

Von Walter Hämmerle

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Darf man in Wien über die Schlachtung heiliger Kühe laut nachdenken? Nein, zumindest nicht im Wahlkampf, befindet die ÖVP - und dreht eine Debatte ab, die aus der eigenen Partei stammt.


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Das war knapp. Im allerletzten Moment ist es der ÖVP Wien gerade noch einmal gelungen, ein eigenes Thema abzuwürgen. Nicht, dass man damit bis zu den Gemeinderatswahlen am 10. Oktober auf der Erfolgsspur gesegelt wäre, aber ein Lebenszeichen hätte es allemal sein können. Theoretisch zumindest. Aber offensichtlich ist das Thema Fußball in der Stadt - besser gesagt: seine Infrastruktur - tabu, wenn zeitgleich gerade die WM in Südafrika ausgetragen wird. Entsprechend konsequent dekretierte die Wiener ÖVP-Chefin Christine Marek kurzerhand: "Debatte beendet".

Was war geschehen? Das Hanappi-Stadion im dicht besiedelten Hütteldorf, altehrwürdige Heimstätte des noch viel altehrwürdigeren SK Rapid Wien, könnte doch aufgelassen und ein Neubau in Auhof, nur wenige hundert Meter weiter, errichtet werden, so die Idee von Gemeinderat Wolfgang Gerstl (ÖVP).

Eine Bezirksumfrage im 14. Wiener Gemeindebezirk hatte ergeben, dass 52 Prozent für eine Absiedelung des Stadions votierten, während sich 39 Prozent dagegen aussprachen. Natürlich müsste auch die U4, die derzeit direkt vor dem Hanappi-Stadion Halt macht, bis Auhof verlängert werden. Ein zusätzlicher Vorteil für Pendler in die Stadt, findet zumindest Gerstl.

Allein der Gedanke, sich von "St. Hanappi" trennen zu müssen, grenzt für eingefleischte Grün-Weiße an einen Frevel. Entsprechend die Reaktion auf der Rapid-Website: "Der Verein, seine Fans und das gemeinsame Stadion in Hütteldorf verschmolzen zu einer Einheit, einer symbolisch uneinnehmbaren Festung. Der SK Rapid ist daher der Auffassung, dass es sich bei genannter, vermeintlicher Planung um billige Polemik handelt (.. .)." Dem kann Marek nur zustimmen, denn: "Heilige Orte versetzt man nicht."

So heilig war das Stadion allerdings nicht immer, noch in den 1980ern war es bei Fans wie Verein wenig beliebt, erst in den 1990ern wurde neben dem Klub auch sein Stadion zum Kult, Trainer Josef Hickersberger adelte es höchstselbst zu "St. Hanappi". Seit Jahren platzt nun das Stadion, das der Stadt gehört und in dem Rapid nur Mieter ist, aus allen Nähten, ein Ausbau gilt aufgrund der beengten Lage mitten im dicht verbauten Wohngebiet als praktisch unmöglich. Ein Neubau am selben Ort ist ebenfalls schwer vorzustellen; dagegen würden die Anrainer wohl Sturm laufen.

Wie es der Zufall so will, hat Kärnten derzeit ein nagelneues Stadion, das niemand braucht. Noch dazu in passender Größe. Dem ist zu allem Überdruss kürzlich die Mannschaft aufgrund chronischer Unprofessionalität abhanden gekommen. Könnte man nicht ein ganzes Stadion abbauen und an einem anderen Ort wieder aufbauen? Wien hätte Bedarf.