EU-Gipfel und Krisengespräche mit wallonischer Regionalregierung brachten keine Einigung zu CETA.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel. Für die Organisatoren des Treffens wurde die Zeit immer knapper. Und gleichzeitig sank am Freitag die Wahrscheinlichkeit, dass sich Justin Trudeau in der kommenden Woche ins Flugzeug nach Brüssel setzt. Der kanadische Ministerpräsident wollte zur feierlichen Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen seinem Land und der Europäischen Union anreisen; der Termin für das Gipfeltreffen war seit langem fixiert.
Doch nach der zweitägigen Sitzung der EU-Staats- und Regierungschefs fehlte zu Beginn des Wochenendes noch immer die Zustimmung eines einziges Mitglieds zu Ceta: Belgiens. Premier Charles Michel hätte zwar gerne den Weg für den Vertrag geebnet, aber ihm waren die Hände gebunden - durch das ablehnende Votum des wallonischen Regionalparlaments.
Sondersitzungen der EU-Botschafter, Verhandlungen mit der belgischen Zentralregierung und mit der kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland, Zusagen zum Produktschutz für wallonisches Rindfleisch - all das blieb in den vergangenen Tagen ohne Erfolg. Ministerin Freeland erklärte am Freitagnachmittag die Gespräche mit der wallonischen Regionalregierung für gescheitert und zeigte sich enttäuscht. Die EU sei derzeit nicht in der Lage, ein internationales Abkommen abzuschließen, befand sie. Und wenn die Wallonen auf ihrem "Nein" beharren, hat Premier Trudeau so bald keinen Grund ins Flugzeug zu steigen. Denn ohne die Einwilligung aller Mitgliedstaaten kann der Vertrag nicht unterschrieben werden. Dessen Unterzeichnung aber sollte den Höhepunkt des Treffens mit den Europäern am kommenden Donnerstag bilden.
Während sich die Ceta-kritische Umweltschutzorganisation Global 2000 per Aussendung mit "Merci Wallonie!" für die Blockade bedankte, blieb bei so manchem der EU-Gipfelteilnehmer, die ohne Einigung auseinandergehen mussten, ein bitterer Nachgeschmack. Schon zuvor hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk klargemacht, dass es um mehr gehe als ein bestimmtes Handelsabkommen. Vielmehr stehe die Glaubwürdigkeit der Gemeinschaft auch in ihrem Inneren auf dem Spiel. "Wenn wir es nicht schaffen, das Vertrauen der Bevölkerung zu erhalten, dass solche Verträge in ihrem Interesse sind, haben wir keine Chance, eine öffentliche Unterstützung für Freihandelsabkommen zu bekommen", befand Tusk.
Diese Vereinbarungen sind in Teilen Europas aber sowieso umstritten. Vor allem TTIP, das geplante transatlantische Abkommen mit den USA, sorgt seit Monaten für Aufregung etwa in Deutschland und Österreich. Das hat denn auch die Aufmerksamkeit auf Ceta gelenkt, wo zunächst ebenfalls Investitionsschutz-Regeln für Unternehmen vorgesehen waren, die den Vorschlägen zu TTIP ähnelten. Erst nach Änderungen konnten die deutschen und österreichischen Sozialdemokraten sich mit Ceta abfinden.
Zwist um TTIP schwelt weiter
Das zeichnet sich bei TTIP hingegen keineswegs ab. Stattdessen könnte die EU vor einer Grundsatzdebatte stehen, wer und in welcher Form Freihandelsabkommen mit internationalen Partnern abschließen darf. Dem österreichischen Bundeskanzler Christian Kern wäre eine solche Diskussion durchaus recht. Denn das Mandat der EU-Kommission, die laut EU-Verträgen für die Gespräche mit den Handelspartnern zuständig ist, geht ihm zu weit. Daher wünscht sich Kern eine "Revision" des Verhandlungsprozesses und -mandats. Ohne das wäre eine Zustimmung Wiens zu TTIP undenkbar, erklärte er nach dem Treffen mit seinen Amtskollegen.
Eine Änderung der EU-Verträge hält der Bundeskanzler allerdings nicht für notwendig. Das Verhandlungsmandat der Kommission lasse sich auch auf andere Weise adaptieren. Dafür ist jedoch Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten notwendig.
Der Zwist um Ceta und TTIP überschattete die Agenda des EU-Gipfels. Auf dieser standen zwar von vornherein Handelsfragen. Doch sollten sich die Spitzenpolitiker statt mit Details diverser Abkommen mit einer umfassenden Strategie für ihre gemeinsame Handelspolitik auseinandersetzen. Nicht zuletzt ging es um Schutzmechanismen gegen Dumping-Importe - beispielsweise aus China, die vor allem die europäische Stahlindustrie hart treffen.
Doch auch bei diesem Thema gab es unter den Staaten keine Einmütigkeit. Manche Regierungen fürchten nämlich, dass die Union mit Maßnahmen wie höheren Strafzöllen einen "protektionistischen Kurs" einschlagen könnte.