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Beim Gipfel mit Russland beschränkt die EU ihre Kritik auf Wirtschaftsthemen.
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Brüssel. Wladimir Tschischow will keine große Aufregung aufkommen lassen. Gut, der 30. EU-Russland-Gipfel sei eine Art Jubiläum, räumt der russische Botschafter bei der Europäischen Union ein. Doch nicht jede Zusammenkunft bringe einen Durchbruch - wenn auch jede ein wichtiger Schritt zur Vertiefung der "strategischen Partnerschaft" sei, die die zwei Seiten verbindet.
Bei einem Treffen mit Journalisten in Brüssel bemühte sich Tschischow, den Meinungsunterschieden zwischen Russland und der EU keine allzu große Bedeutung zukommen zu lassen. Es gehe vielmehr um die Gemeinsamkeiten: beim Handel, bei der Versorgung mit Erdgas oder dem Ringen um Visa-Erleichterungen.
Auch die EU-Kommission rückt die gemeinsamen Interessen in den Vordergrund. Und während das EU-Parlament schärfere Kritik am Umgang des Kreml mit Oppositionellen oder an Menschenrechts-Verletzungen fordert, wagt sich die Kommission bei diesen Themen nicht weit hinaus.
Diese werden daher wohl kaum zur Sprache kommen, wenn Präsident Wladimir Putin heute, Freitag, in Brüssel mit Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy zusammenkommt. Erste - informelle - Gespräche hat es bereits tags zuvor bei einem Abendessen gegeben.
Ein Gipfel der Harmonie wird es dennoch nicht werden. So wächst in Moskau die Ungeduld wegen des Tauziehens um Visa-Erleichterungen. Doch findet die zuletzt gestellte Forderung nach mehr Reisefreiheit für russische Staatsbeamte nicht die nötige Unterstützung unter den EU-Staaten.
Mit Verärgerung reagiert der Kreml ebenfalls auf die Entscheidung der EU-Kommission, ein Verfahren wegen Wettbewerbsverzerrung gegen den Konzern Gazprom zu eröffnen. Aus Sicht der Brüsseler Behörde missbraucht der wichtigste Erdgaslieferant Europas seine Marktdominanz in Ost- und Mitteleuropa.
Niedrigere Zölle
Umgekehrt pochen die Europäer darauf, dass Russland seinen Verpflichtungen nachkommt, die es mit seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO heuer eingegangen ist. Doch der vereinbarte Abbau von Zolltarifen gehe nicht schnell voran, was etwa die europäische Automobilindustrie treffe, erklärte ein EU-Experte.
Trotz der Hemmnisse ist das bilaterale Handelsvolumen in den vergangenen drei Jahren wieder gestiegen - im Vorjahr um ein Viertel. Dabei exportierte die EU Waren im Wert von 108 Milliarden Euro; die Einfuhren aus Russland wuchsen auf einen Wert von 199 Milliarden Euro an. Damit ist die Union der größte Markt für russische Produkte. Den wichtigsten Teil davon bilden noch immer Energielieferungen: Mehr als drei Viertel der russischen Exporte machen Rohöl, Ölprodukte und Erdgas aus. Dass damit fast ein Drittel des europäischen Bedarfs gedeckt wird, sorgt im Westen für Unbehagen. Daher suchen die Europäer nach Wegen, ihre Abhängigkeit zu verringern. Einige richten ihren Blick dabei jetzt schon auf die USA. Dort geht die - umstrittene - Förderung von Schiefergas rasant voran. Laut Schätzungen könnten die USA in wenigen Jahren ein bedeutender Gas-Exporteur werden.