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Handelsuneins

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Die Abstimmung in der belgischen Region Wallonie, der Spruch der deutschen Verfassungsrichter, die Debatten in der SPÖ und von zivilen Organisationen über Ceta haben eine weitere Schwachstelle Europas freigelegt: Die EU hat die falschen Kompetenzen. Als "Handelsabkommen neuen Typs" wurde der Vertrag zwischen Kanada und der EU von Befürwortern gefeiert. Nicht nur handelsrechtliche Schranken sollen fallen, sondern es geht auch um Investitions- sowie soziale und ökologische Kriterien. Blöd nur, dass die EU dafür exakt null Kompetenzen hat. Das haben die deutschen Verfassungsrichter recht klar ausgedrückt - der demokratisch legitimierte Bundestag muss eine Letztentscheidung treffen. Ähnlich hat die SPÖ argumentiert.

Die Frage, die sich unweigerlich stellt, ist indes, warum das - von allen Bürgern gewählte - Europäische Parlament diese Kompetenz nicht hat. Nun: Weil viele Bürger von der EU zwar verlangen, eine Sozialunion zu werden und auch in anderen Bereichen (etwa der Energie, die untrennbar mit Klimaschutz verbunden ist) eine klare Haltung zu beziehen. Doch die Nationalstaaten, die in den Räten vertreten sind, denken nicht daran, dies aufzugeben. Das werden sie aber müssen. Wenn Handelsabkommen wie Ceta Erfolg haben sollen - und grundsätzlich ist der bürokratisch und steuerlich unbehinderte Handel zu begrüßen -, müssen neue Spielregeln her. Wenn in Bangladesch eine Fabrik abbrennt und Hunderte zu Tode kommen, wird Europas Textilhandel gegeißelt - moralisch zu Recht. Doch die Abkommen geben das alles her. Es gibt diese Fabriken weiterhin. Und nun reklamiert sich das Kapital in die Abkommen hinein. Auch Kontinente überschreitende Firmenübernahmen sollen von allen Schranken befreit werden.

Darüber gab es im Vorfeld keine öffentliche Diskussion. 28 Regierungschefs nickten das ab, gaben der EU-Kommission dafür ein Mandat.

Das soll demokratisch sein?

Das Ergebnis dieses Tohuwabohus aus nationaler und europäischer Schein-Legitimation steht nun im Raum. Ceta und TTIP sind zu Symbolen eines wildgewordenen Kapitalismus geworden, nationale Populisten jeglicher Couleur finden darin ein weites Bestätigungsfeld. Wohin Nationalismen führen, ist sehr gut in Großbritannien zu sehen. Der Brexit wird Wohlstand vernichten. Doch Regierungsparteien machen lieber politisches Kleingeld, als den Wohlstand zu sichern.