Karrierist mit eigensinnigem Widerstandsgeist: Eine Erinnerung an den deutschen Schauspieler zum 130. Geburtstag.
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Man muss Hamburg mögen, dann fällt es leicht, an Hans Albers Gefallen zu finden. Die stolze Patrizierstadt mit ihrem lichtblauen Himmel und dem rundgefassten Wasser der Binnenalster kon-trastiert weltgewandt mit ihrem ausgedehnten Hafenviertel, mit lärmigen Kneipen und Kaschemmen und mit vielen Laufmetern für allerlei gunstgewerbliches Matrosenglück.
Von dort stammte Hans Albers her, ein Hanseat durch und durch. Er war der Volksschauspieler von der Waterkant, und das spielte er zeitlebens gekonnt aus. Mit Liedern wie "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins", "Das Herz von St. Pauli", dem Seemannslied "La Paloma" oder mit Filmen wie "Der Draufgänger" oder "Große Freiheit Nr. 7" erwies er seiner Heimatstadt eine bleibende Reverenz.
Sein fahriges Spiel, die auftrumpfende Körpersprache des schlaksigen blonden Hünen, seine ausladenden Gebärden, die brüchige, krächzende, letztlich kippende Säuferstimme - sie sind heute allesamt wohl nicht jedermanns filmische Augen- und Ohrenfreude.
Hallodri & Freibeuter
Indes, über Jahrzehnte blieb der aufreizend charmante Schauspieler und Sänger der beliebteste Star des deutschen Kinos: ein eigensinniger Abenteurer, dessen Popularität drei politische Systeme - von der Weimarer Republik bis ins Nachkriegs-Deutschland - überdauerte. Sein Rollenfach in unzähligen, oft seichten und kurzlebigen Zelluloid-Streifen für die Laufkundschaft war zumeist der charmante Hallodri und Freibeuter. Ein mit einem großen Quantum Charisma versehener harter Kerl mit weichem Kern. Ein Bonvivant für kleine Leute, der schon einmal die Seglerlust zu Luft ("Flieger, grüß mir die Sonne") oder zu Wasser ("In meinem Herzen, Schatz", "Der Wind und das Meer") besang.
Schon sein erster Biograph Alfred Rosenthal stellte 1930 treffend fest: Albers ist in seinen Filmen "letztlich immer wieder der Draufgänger, der unbekümmerte Mann, der das, was er will, auch erreicht. Der Schlager ‚Hoppla, jetzt komm ich‘ könnte vielleicht als Leitmotiv vor jeder Albers-Biographie stehen."
Auf seinem Karriereweg zum höchstgehandelten Ufa-Star knirschte es zu Beginn kräftig. Albers, der am 22. September 1891 im Hamburger Stadtteil St. Georg, Lange Reihe 71, als Sohn eines Fleischermeisters zur Welt gekommen war, konnte seinen selbstbewussten Vater, der an der Alster als "Schöner Wilhelm" bekannt war, um keinen Preis von seinem Berufswunsch Schauspieler überzeugen. Also wich er nach Frankfurt aus, nahm eine kaufmännische Anstellung an und besuchte eine Schauspielschule. Im Ersten Weltkrieg wurde er 1916 als Soldat an der Westfront schwer verwundet.
Weit war der Weg über kleine Rollen auf Provinzbühnen bis zum Erfolg. Der stellte sich erst im Oktober 1928 in Berlin ein, als Albers bei Max Reinhardt im Deutschen Theater als skrupelloser Kellner in Ferdinand Bruckners "Die Verbrecher" zum Star des Abends avancierte. "Hinreißend leuchtet dieser Mensch von innerer, mutwilliger Freude, scheint zu jeglicher Tollheit bereit, scheint zu allem fähig, was fröhlich, überschäumend und dabei leise selbstparodistisch ist", schwärmte Felix Salten.
"Ich musste zwanzig Jahre warten und schuften, bis meine große Chance kam", erinnerte sich der Schauspieler später. Den Durchbruch im Film schaffte er 1930 als Artist Mazeppa an der Seite von Marlene Dietrich im "Blauen Engel". Und gleich im Jahr darauf erklomm er an der Berliner Volksbühne in der Paraderolle des Hutschenschleuderers "Liliom" in Franz Molnárs Stück den Zenit seiner Bühnenkarriere. Sogar Charlie Chaplin kam als Gratulant in seine Garderobe. Jahrelang brillierte er in der Rolle, auch nach dem Krieg, insgesamt 1.800 Mal. Doch als die Nazis das Stück wegen der jüdischen Abkunft des Autors verboten, nahm Albers in der Nazizeit keine Bühnenrollen mehr an. Erst am 25. April 1946 trat er, unter Beifallsstürmen im Berliner Hebbel-Theater, in der Paraderolle wieder auf.
Film- und Theatergeschichte kann auch ein Handspiegel der politischen Geschichte sein. Im Fall von Hans Albers zeigt er das Doppelgesicht eines Karrieristen mit eigensinnigem Widerstandsgeist. Schon das Leben nahm der Schauspieler nicht ernster, als es ihm nötig schien, geschweige die Politik. Die Nazis buhlten um den blonden Feschak, den sie gern als Vorzeige-Arier präsentiert hätten. So wurde er im Dritten Reich zum "Staatsschauspieler" ernannt. Er war Mitmacher in vielen damaligen - auch anrüchig propagandistischen - deutschen Filmen, aber er wurde kein NS-Mitläufer. Beharrlich widersetzte er sich allen Versuchen der Vereinnahmung, die vor allem von Reichspropagandaminister Goebbels ausgingen.
Verantwortlich für seine abwehrende Haltung war, neben einer forschen Verachtung für die politischen Parvenüs im Dritten Reich, seine seit 1923 bestehende Liebesbeziehung zu der jüdischen Schauspielerin Hansi Burg, der Tochter seines frühen Förderers und Freundes Eugen Burg. Die Wienerin hatte früh ihre Karriere für ihn aufgegeben, wurde seine Managerin und Lebensgefährtin.
Distanz zu NS-Staat
Der Bedrängnis, in welche in der NS-Zeit etliche Schauspieler - wie etwa Albert Bassermann, Hans Moser, Heinz Rühmann und auch Hans Albers - wegen ihrer jüdischen Frauen gebracht worden waren, begegneten sie auf unterschiedliche Weise: Bassermann emigrierte frühzeitig, als ihm die Nazis die Trennung von seiner Frau nahelegten. Moser versuchte verzweifelt, seine Frau in Budapest in Sicherheit zu bringen. Rühmann ließ sich scheiden und heiratete umgehend eine andere.
Albers hingegen widerstand auf seine Weise. Am Starnberger See hatte er 1935 ein 27.000 Quadratmeter großes Anwesen erworben. Die Villa sollte als Refugium für ihn und seine Lebensgefährtin dienen, die durch die soeben erlassenen "Nürnberger Rassengesetze" bedroht war. Eine Scheinehe mit einem Norweger wurde arrangiert, die Hansi Burg staatsbürgerschaftliche Unabhängigkeit verschaffte. Dem Drängen von Goebbels auf Trennung kam Albers in einem Brief nach, in dem er mitteilte, er habe seine "persönlichen Beziehungen zu Frau Hansi Burg gelöst". Der Minister sicherte ihm "wegen der veränderten Sachlage" den Schutz des nationalsozialistischen Staates zu. Insgeheim freilich lebten Albers und seine jüdische Lebenspartnerin weiterhin in der Villa.
Doch als im November 1938 die Synagogen brannten, wurde Hansi Burg der Boden im rassistisch verseuchten Deutschland zu heiß. Heimlich, ohne Albers einzubeziehen, nutzte sie einen Urlaub in der Schweiz, um in die Emigra- tion auszuweichen. In England schlug sie sich bis Kriegsende allein durch, unter anderem als Organisatorin von Modeschauen. An Albers schrieb sie lange Briefe. Im April 1946 kehrte sie in der Uniform eines britischen Captains an den Starnberger See zurück. Im Einvernehmen mit dem Hausherrn warf sie dessen amtierende Gespielin kurzerhand aus der Villa und lebte fortan mit Hans Albers weiter, bis zu dessen Tod 1960.
Zu den Repräsentanten des NS-Staats hatte der Schauspieler gewissenhaft Distanz gehalten. Ein Jahr lang hatte er sich geweigert, der Reichsfilmkammer beizutreten. Als ihm ein renommierter Filmpreis verliehen werden sollte, schlug er die Entgegennahme aus der Hand von Goebbels aus. "Es gibt kein einziges Foto, das Hans Albers mit einem Nationalsozialisten zeigt", hält sein Biograph Hans-Christoph Blumenberg fest. Nur seine Popularität schützte Albers vor den Nachstellungen des NS-Regimes. Was Goebbels und die Ufa wollten, war Star-Kino. Und Albers war ihr größter Star. Dafür nahmen sie viele seiner Eskapaden und Unbotmäßigkeiten in Kauf. Er wiederum profitierte über die Maßen von dem Arrangement. In der Liste der Spitzenverdiener des deutschen Films in den Jahren 1941 bis 1943 nahm Albers den obersten Rang ein, vor Mimen wie Heinrich George, Hans Moser oder auch Paul Hörbiger.
In seinen Erinnerungen "Aller Tage Abend" schrieb der heimgekehrte Emigrant Fritz Kortner, dass "die Kunde vom widerstandskräftigen Verhalten" des Schauspielers "bis nach Hollywood gedrungen war." "Aus Gesprächen mit ihm erkannte ich, dass sich seine Abneigung gegen den Diktator Hitler auch auf den Publikumsliebling Hitler bezog. Er fand sich von ihm auf diesem Gebiet in den Schatten gestellt. Den Kampf Hitler-Albers um das Dienstmädchen gewann Hitler. Sieger blieb Albers."
Warum war Hans Albers nicht emigriert? Zunächst wohl, weil sein Englisch mangelhaft war. Der Weg des Schauspielers in die Fremde hätte, wie auch sein Freund Carl Zuckmayer mutmaßte, geradewegs in Not und berufliche Verzweiflung geführt: Der Star war im Ausland so gut wie unbekannt. Albers "is probably the only one of so great European reputation to be so little known in the US - even by cinema-addicts", stellte der Filmhistoriker Gunnar Lundqvist 1965 in einer Studie fest.
Abschied in Ohlsdorf
Im Film war Hans Albers der Inbegriff des sympathischen Wagehalses und tollen Hechts gewesen. Jetzt, in der Nachkriegszeit, sind die gesetzten Männerrollen dran. Er spielt mit Partnerinnen wie Hildegard Knef ("Nachts auf den Straßen") oder der blutjungen Romy Schneider ("Der letzte Mann"). Und er steht wieder viel auf der Bühne. Am 7. März 1960 bricht er bei einem Gastspiel von Zuckmayers Seiltänzer-Stück "Katharina Knie" im Wiener Raimund-Theater zusammen. Er hatte innere Blutungen erlitten. Drei Monate später, am 24. Juli, starb er 68-jährig in einer Klinik am Starnberger See. In Hamburg, auf dem Ohlsdorfer Friedhof, wo sich tausende Anhänger eingefunden hatten, fand am 29. Juli das Begräbnis statt.
Zuletzt machte der Schauspieler durch seine Hinterlassenschaft von sich reden. 15 Jahre lang hatte Hansi Burg die große Liebe ihres Lebens überlebt. 1971, vier Jahre vor ihrem Tod, verkaufte sie die Villa an den Freistaat Bayern, laut Kaufvertrag "für öffentliche Erholungszwecke". Nun soll das seit Jahrzehnten verwahrloste Anwesen Seminarzwecken der Technischen Universität München zugeführt werden. Dagegen macht der Verein "Respect & Remember" mobil, der einen deutsch-jüdischen Erinnerungsort eingerichtet sehen möchte, im Gedenken an die außergewöhnliche Liebesbeziehung von Hansi Burg und Hans Albers.
Über hundert Rosensorten, so berichteten Besucher, sollen einst in ihrem Garten in Garatshausen geblüht haben.
Oliver vom Hove lebt als Dramaturg, Literaturwissenschafter und Publizist in Wien.