FPÖ-Historikerkommission veröffentlicht unvollständigen "Rohbericht" zur Parteiengeschichte.
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Wien. Am Montag präsentierte die FPÖ am späteren Nachmittag nach etlichen Ankündigungen und Verschiebungen einen ersten, unfertigen "Rohbericht" von 32 Seiten, den ihre Historikerkommission erarbeitet hatte. Diese untersucht unter der Leitung es ehemaligen FPÖ-Politikers und emeritierten Jus-Professors Wilhelm Brauneder seit eineinhalb Jahren die "braunen Flecken" der Partei, die von Nationalsozialisten mitgegründet wurde. Große Erkenntnisse kamen nicht ans Tageslicht, dafür ein bemerkenswertes Geschichtsverständnis.
Ausgehändigt wurde allerdings nur eine gekürzte Fassung. Der laut Parteiangaben mehr als 1000 Seiten dicke, aber noch unfertige Stapel der Schlussversion, durfte nur kurz durchgeblättert werden. Wann der gesamte Kommissionsbericht veröffentlicht werden soll, beantwortete die Partei nicht. Brauneder, der unter anderem Texte in der ehemaligen rechtsextremen "Aula" veröffentlichte, will sich dafür Zeit nehmen. Unter anderem möchte sich die Kommission das "Okay" von einem israelischen Wissenschafter holen, dessen Namen die FPÖ nicht verraten möchte.
Der blaue Chefideologe und Leiter der "Referenzgruppe", Andreas Mölzer, kündigte im Vorfeld "schonungslose und selbstkritische" Aufarbeitung an. Wie viel daraus geworden ist, lässt sich anhand der bisher vorliegenden Seiten nur schwer beantworten.
SS-Titel historisch "irrelevant"
Vieles von dem, was die Freiheitlichen veröffentlichten, wurde zumindest nach einer ersten Durchsicht etwa durch das Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands, kurz DÖW, bereits gut dokumentiert. Das musste auch Brauneder zugeben, der für die Kommissionsarbeit offenbar dort recherchierte.
Im Resümee des Berichts heißt es: "Die Geschichte des Dritten Lagers nach 1945 weist eindeutig Berührungspunkte mit dem Nationalsozialismus auf." Das deutschfreiheitliche Lager sei "schneller und vollständiger" als jedes andere mit dem Nationalsozialismus aufgegangen. "Aber weder VdU ("Verband der Unabhängigen" und Vorgängerin der FPÖ Anm. d. Red.) noch FPÖ waren formell Nachfolgeorganisationen der NSDAP. Und sie strebten auch nicht (. . .) politisch die Wiedererrichtung eines nationalsozialistischen Regimes an."
Dennoch hätte nach 1945 personell starke Überschneidungen gegeben, "wo sich mehr als bei anderen Parteien ehemalige Nationalsozialisten in Führungspositionen finden lassen". Allerdings, so die Kommission, sage "die NS-Vergangenheit allein zudem nichts über die Gesinnung einer Person nach 1945 aus".
Für Brauneder ist die FPÖ "im Laufe ihrer Entwicklung (...) eine Partei wie jede andere". Wenn man die Freiheitlichen heute beurteile, hält er es für nicht besonders wichtig, sich mit ihrer Vergangenheit allzu lange aufzuhalten. Vieles, was historisch interessant sei, hält Brauneder im Bezug auf heute für irrelevant. Darunter falle auch, "ob einer der Parteigründer einen Ehrenrang" bei der SS der Nationalsozialisten hatte. Gemeint ist Anton Reinthaller, der von 1956 bis zu seinem Tod 1958 erster Bundesparteiobmann der FPÖ war. Für Brauneder ist relevanter, was in den Parteiprogrammen stand, wie die Reden der Abgeordneten aussahen und welche Anträge gestellt und wie abgestimmt wurde.
Identitäre doch kein Thema
Im Bericht soll ebenfalls der "Wertewandel der Studentenverbindungen", also der Burschenschaften beleuchtet werden. Allerdings von außen, die Burschenschaften hätten laut FPÖ trotz Einfluss in der Partei kein Interesse an einer Zusammenarbeit gehabt.
Entgegen der Ankündigungen Brauneders in der "Wiener Zeitung" wurden die Verstrickungen der FPÖ und den rechtsextremen Identitären im Bericht nicht berücksichtigt. Das sei laut der Kommission "Tagespolitik". Allerdings sind die Dreiecks-Verbindungen zwischen deutschnationalen Burschenschaften, Freiheitlichen und Identitären evident.
Anlass dafür, die Kommission einzusetzen, war die erste NS-Liederbuchaffäre um die Burschenschaft des damaligen und zeitweise zurückgetretenen FPÖ-Spitzenkandidaten bei der niederösterreichischen Landtagswahl, Udo Landbauer. Landbauer war damals stellvertretender Obmann der Germania zu Wiener Neustadt. In dem Liederbuch fand sich unter anderem die Liedzeile "Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million."
An dem Werk hätten laut FPÖ 16 Autoren mitgearbeitet. Darunter Stefan Karner, von 2012 bis 2018 Vorstand des Instituts für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte der Uni Graz und Kurz Scholz, seit 2011 Vorsitzender des Kuratoriums des Zukunftsfonds der Republik.