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Hardliner, Moderate und Unentschlossene

Von Jan Michael Marchart und Werner Reisinger

Politik

Eine erste Bilanz der Mindestsicherungsmodelle der Länder zeigt drei Gruppen. Ein Überblick.


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Wien. Von einer Kürzung der Mindestsicherung hielt Sozialminister Alois Stöger lange Zeit rein gar nichts. Stöger sagte im vergangenen Jahr Sätze wie "Das Menschsein lässt sich nicht deckeln" und stellte sich klar gegen den Koalitionspartner ÖVP, der Woche für Woche mit einem neuen Modell für eine Reduktion der Sozialhilfe für Asylberechtigte lobbyierte.

Dann provozierte Oberösterreich einen Alleingang und halbierte die Mindestsicherung für Flüchtlinge. Wenig später imitierte auch Niederösterreich das Modell aus der ehemaligen Industriehochburg und erhöhte den Druck auf die parallel stattfindenden Verhandlungen für eine bundesweite Variante. Die Bundesländer mit ÖVP-Landeshauptmann beharrten auf ihren Reformen und machten eine bundeseinheitliche Lösung unmöglich. Stöger kam der ÖVP bei den Verhandlungen zwar entgegen, das Menschsein war plötzlich doch deckelbar, die Gespräche platzten trotzdem. Seit Jahresbeginn ist die Bund-Länder-Vereinbarung passé, jedes Bundesland kann nun sein eigenes Modell verhandeln. Am Donnerstag kürzte auch das Burgenland die Sozialhilfe. In anderen Bundesländern ist das Thema noch hochaktuell. Eine Führung durch ein föderalistisches Labyrinth.

Die Hardliner

In Linz beginnt’s: Die schwarz-blaue Regierung preschte Ende Juni 2016 mit einer EU-rechtlich umstrittenen Variante vor und erhöhte den Druck auf die bundesweiten Verhandlungen. Oberösterreichs Regierung halbierte die Mindestsicherung für Asylberechtigte. Statt bisher 914 Euro monatlich werden 520 Euro ausbezahlt, seit Jänner 2017 ist der Bezug auch bei 1500 Euro gedeckelt. Wer Integrationsmaßnahmen wie Deutschkurse nicht absolviert, muss auf weitere 155 Euro verzichten. Der juristische Knackpunkt sei laut dem Landesgeschäftsführer der ÖVP Oberösterreich, Wolfgang Hattmannsdorfer, dass die Kürzung nur für befristete Asylberechtigte (Asyl auf Zeit) gilt. "Durch diese Grenze wird der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt", ist er überzeugt. In diese Regelung fallen laut Hattmansdorfer seit dem Stichtag 15. November 2015 alle Asylwerber.

In Oberösterreich wird direkt zwischen Österreichern und Asylberechtigten unterschieden, was nicht nur Experten, sondern auch Innenminister Wolfgang Sobotka als rechtswidrig bezeichnen.

In Niederösterreich geht man deshalb seit Jahresbeginn einen etwas anderen Weg, der für Europarechtler aber nicht weniger bedenklich ist. Dort knüpfte die schwarze Regierung den Bezug der vollen Mindestsicherung an die Aufenthaltsdauer. Das gilt auch für Österreicher, die aus dem Ausland zurückkehren. Wer seinen Hauptwohnsitz beziehungsweise seinen rechtmäßigen Aufenthalt nicht zumindest in fünf der letzten sechs Jahre in Österreich hatte, erhält maximal 572,50 Euro. Außerdem wurde die Mindestsicherung mit 1500 Euro pro Haushalt oder Wohngemeinschaft gedeckelt und Bezieher sind zu gemeinnützigen Hilfstätigkeiten verpflichtet.

Fast denselben Weg wählt das Burgenland. Dessen Landeshauptmann Hans Niessl hat mit seiner rot-blauen Koalition nie ein Hehl daraus gemacht, in puncto Sozialpolitik einen für Flüchtlinge restriktiven Kurs fahren zu wollen. Schon im Herbst des Vorjahres hatte SPÖ-Soziallandesrat Norbert Darabos angekündigt, dass sich das Burgenland an den bereits umgesetzten Modellen von Ober- und Niederösterreich orientieren würde. Am Donnerstag wurde im Landtag in Eisenstadt die entsprechende Novelle eingebracht: Asylberechtigte müssen in Zukunft auf die Mindestsicherung warten und, wie in Niederösterreich, in den letzten sechs Jahren mindestens fünf Jahre einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich nachweisen. Bis dahin erhalten Betroffene nur 548 Euro. Davon entfallen 136 Euro auf einen Integrationsbonus, der nur ausbezahlt wird, wenn eine Vereinbarung unterschrieben wird. Darin verpflichtet sich der Antragssteller zum Besuch von Deutsch- und Wertekursen.

Die Moderaten 

Die Steiermark entschloss sich im September des Vorjahres dazu, stärker gegen Missbrauch der Mindestsicherung vorzugehen. Wenn eine Arbeitsstelle nicht angenommen wird oder der Bezieher nicht beim AMS erscheint, wird die Sozialhilfe um ein Viertel gesenkt. Weitere Senkungen sind möglich. Der Grundbetrag beläuft sich auf 837 Euro. Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine "Integrationshilfe" in Höhe von 628 Euro, die Differenz zur Mindestsicherung wird in Form von Sachleistungen gewährt. Die "Integrationshilfe" ist an den Besuch von Deutsch- und Wertekursen geknüpft.

Auch in Kärnten soll die volle Mindestsicherung ab dem Frühjahr 2018 an Asylberechtigte nur ausbezahlt werden, wenn Integrationsmaßnahmen absolviert werden. Für "Aufstocker" (das sind Personen, die arbeiten, aber zu wenig verdienen) soll es zudem einen Spielraum von einem Jahr einen Toleranzbetrag von 150 Euro geben, den die dazuverdienen dürfen, ohne dass die Mindestsicherung entsprechend gekürzt wird.

Die Westachse 

Das Tiroler Modell wird auch als Variante der "Westachse" bezeichnet, da es Mitte Jänner im "Gleichklang" mit Vorarlberg und in Abstimmung mit Salzburg beschlossen wurde. Konkret sieht das Modell einen verminderten Tarif für Wohngemeinschaften vor. Der Richtsatz wird von 633 Euro auf 473 pro Person gesenkt. Außerdem sollen die Behörden künftig Empfängern eine Wohnung zuweisen können. Wird diese abgelehnt, kann dies zum Wegfall der Wohnleistung führen.

Weiters werden die Wohnungskosten gedeckelt. Über diesen für den Bezirk festgesetzten Betrag soll es keine Übernahme der Wohnkosten mehr geben. Der Erhalt der Mindestsicherung ist auch im Westen an die Integrationsvereinbarung gekoppelt. Als Anreiz, wieder zu arbeiten, wird es für eine befristete Zeit zu einer Aufzahlung aus der Mindestsicherung kommen, wenn die Bezahlung geringfügig über dem Richtsatz der Sozialhilfe liegt.

Die Unentschlossenen 

In der Bundeshauptstadt sind die Verhandlungen zwischen Rot und Grün zäher. Beide Parteien nahmen bisher von einem restriktiven Kurs wie in Oberösterreich Abstand. Wiens Bürgermeister Michael Häupl bedauert nach wie vor, dass eine bundeseinheitliche Lösung am Verhandlungstisch gescheitert ist. Wien steht unter Druck. Als größter Ballungsraum ist die Stadt ohnehin für viele Asylberechtigte Anziehungspunkt, hier wartet eine größere Community aus dem Herkunftsland, hier erhofft man sich Arbeit. Aktuell wird noch die volle Höhe der Mindestsicherung ausbezahlt. An einer Lösung wird gearbeitet.

Nach dem Abgang von Stadträtin Sonja Wehsely ist unklar, wie lange die Verhandlungen zwischen SPÖ und Grünen über eine eigene Lösung noch dauern werden. Aus der Wiener SPÖ ist zu hören, man bemühe sich um gegensteuernde Maßnahmen, die auf eine bessere Arbeitsmarktintegration von Asylberechtigten abzielen. Mit Experten arbeite man an Projekten, die Verhandlungen seien "weit gediehen", in anderen Bereichen gebe es "noch mehr zu tun". Qualität gehe vor Schnelligkeit. Zumindest im vergangenen November war eine Wartefrist noch nicht vom Tisch.

Nachdem ein Rohbericht des Rechnungshofs Unregelmäßigkeiten bei der Auszahlung der Mindestsicherung kritisiert hatte, trat die zuständige Magistratsabteilungsleiterin zurück. "Maximale Effizienz" versprach Bürgermeister Häupl für die Zukunft. Eine bei Stadträtin Sandra Frauenberger eingerichtete "Task Force" soll mehr Kontrolle bringen, das Personal unterstützen und auch das "EDV-Gerüst" der zuständigen Abteilung neu aufsetzen.