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Finanztransaktionssteuer soll für "Disziplin und Ordnung" sorgen.
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Wien. Sechs Jahre nach ihrem letzten bilateralen Besuch in Österreich gab Angela Merkel bei ihrer Visite am Freitag die überschwängliche Rückkehrerin: Sie empfinde "Zuneigung zum wunderschönen Land Österreich", so die CDU-Politikerin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Werner Faymann. Der SPÖ-Vorsitzende gab die Komplimente zurück und betonte das gute Verhältnis zum Nachbarn, die enge wirtschaftliche Verflechtung.
Trotz der demonstrativ zur Schau gestellten Lockerheit und Harmonie blitzten selbst beim Presseauftritt die Meinungsunterschiede zwischen den beiden Regierungschefs auf. So sah Faymann die am Donnerstag beschlossenen uneingeschränkten Anleihenkäufe von Krisenstaaten durch die Europäische Zentralbank (EZB) "politisch positiv". Hingegen betonte Merkel kühl, die EZB sei eine "unabhängige und starke Institution". Diese sei mit der Geldwertstabilität betraut, die "Zukunft des Euro werde aber durch politisches Handeln bestimmt".
Überzeugungsarbeit auf europäischer Ebene haben Merkel und Faymann bei der Finanztransaktionssteuer vor sich. Der SPÖ-Politiker appellierte zum wiederholten Male für deren Einführung: . "Jeder kleine Bäcker zahlt seine Steuern. Die meisten Arbeitnehmer werden nicht gefragt, bevor ihnen Steuern abgezogen werden." Und dennoch gebe es Händler, die durch tägliche Käufe und Verkäufe Gewinne erzielen würden, "aber wenig beitragen". Die Transaktionssteuer sei darum ein Beitrag, um "Disziplin und Ordnung" herzustellen. Vorgesehen seien die Einnahmen aus der Finanzsteuer erst im Budget 2014, sagte der Kanzler. Österreich, Deutschland und Frankreich müssten gemeinsam nach "Gutwilligen" suchen, erklärte Faymann. Er rechnet bis Ende 2013 mit einem parlamentarischen Beschluss zur Transaktionssteuer, ab 2014 seien Einnahmen daraus vorgesehen. Vage gab sich hingegen Merkel, die meinte "man arbeite mit Nachdruck daran".
Dass der Euro auch in Zukunft Europas Leitwährung sein werde, war für beide Politiker unbestritten. Er sei nicht nur ein wirtschaftliches Projekt, insistierte Merkel. Als "Herzstück" der Union bezeichnete Faymann den Euro; eine Rückkehr zu Schilling oder D-Mark schloss er kategorisch aus. Konsens herrschte zwischen Merkel und Faymann auch ob der Wichtigkeit haushaltspolitischer Disziplin. Dabei legte Österreichs Regierungschef jedoch in einer Nebenbemerkung den Finger in eine offene Wunde Merkels: Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM sowie der Fiskalpakt seien hierzulande ratifiziert; denn "wo keine Ordnung herrscht, kann man sie nicht schützen", sagte Faymann. Merkel wartet dagegen gespannt auf den Spruch des deutschen Verfassungsgerichtshofs am 12. September, der über die Vereinbarkeit beider Maßnahmen mit dem Grundgesetz und der Budgethoheit des Bundestags urteilt.
Neben einem Gespräch mit Außenminister Michael Spindelegger nutzte Merkel ihre Visite auch für einen Besuch der Oper.