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"Harry-Potter-Denken ist vorbei"

Von Reinhard Göweil

Politik
Sparpaket bleibt wie es ist, sagt Wirtschaftsminister Reinhold MitterlehnerFotos:Pessenlehner

Minister kündigt Förder-Konferenz mit Ländern zur Transparenzdatenbank an.


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Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) war einer wichtigsten Verhandler in der Regierung für das Konsolidierungspaket. Sein Fazit zu den getroffenen Maßnahmen: "Es ist nicht absolut gut, aber es ist relativ gut."

"Wiener Zeitung": Ältere Arbeitnehmer werden von Betrieben oft so früh als möglich in Pension geschickt, auch aus Kostengründen. Nun sollen alle länger arbeiten. Wie wird die Regierung die Betriebe auf diese Umstellung vorbereiten?Reinhold Mitterlehner:Wir stehen vor einem dramatischen Wandel in der Demographie. 2015 werden 10.000 Jugendliche im Alter von 15 Jahren weniger auf den Arbeitsmarkt kommen. Bei den Personalverantwortlichen in den Betrieben ist das Umdenken voll im Gang. Das betrifft nicht nur ältere Arbeitnehmer, sondern auch Fragen der Migration. Auch hier wandelt sich die Einstellung, die früher sehr negativ war.

Wenn es ohnehin weniger Jugendliche geben wird, warum dann noch die massive Förderung für Ältere?

Die vereinbarte Kündigungsprämie (110 Euro pro gekündigten Mitarbeiter, Anm.) wird einen lenkenden Effekt haben. Und ein Teil dieser Einnahmen wird als Eingliederungsbeihilfe für ältere Arbeitnehmer verwendet. Das erleichtert den Betrieben in den kommenden Jahren die Anpassungen.

Wird es bei den Kollektivverträgen auch Änderungen geben. Stichwort Abflachung der Kurve beim Lebenseinkommen? Ältere verdienen ja mehr als Junge.

Dieser Plan ist in der Industrie schon einmal gescheitert. Dafür geben Ältere den Jungen in der Familie Mittel zum Aufbau einer Wohnung, eines Hausbaus oder Ähnliches. Diese Generationensolidarität ist in Österreich tief verwurzelt.

Stichwort Förderungen: Kanzler und Vizekanzler sagten, dass sie bei der Transparenzdatenbank, die seit 2009 angekündigt wird, Gas geben wollen. Erst mit diesen Daten lassen sich Doppelgleisigkeiten unterbinden. Was passiert also nun?

Es wird eine Förder-Konferenz mit den Ländern geben. Eine Möglichkeit wäre, dass der Bund für die Länder Prüfungen vornimmt. Bei der Forschungsförderung prüft die Bundesstelle schon jetzt für Oberösterreich und Salzburg die Förderwürdigkeit. Das ist sicher ausbaufähig. Und im Tourismus gibt es diese Förderpyramide bereits, also mit einer klaren Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern. Das können wir natürlich auf andere Bereiche ausweiten.

Und bei der Familienförderung?

Da arbeiten wir an administrativen Änderungen. Die Länder geben für Familien 80 Millionen Euro aus, diese sind jetzt in einer Datenbank erfasst. Im Bund bringen sieben unterschiedliche Stellen Familienleistungen, das müssen wir künftig bündeln.

Kritiker werfen dem Paket vor, dass es insgesamt die Strukturen nicht ändert, obwohl es so großen Reformbedarf gäbe . . .

Alle erwarten einen großen Wurf, aber keiner soll danach liegen bleiben. Wir haben uns das alles schon genau angeschaut. Wenn jetzt gefordert wird, etwa die Krankenkassen zusammenzulegen. Als die damalige Regierung (2001, Anm.) die Pensionsversicherungen zusammenlegte, sind Einsparungen von 36 Millionen Euro errechnet worden. Die Kosten sind aber nicht gesunken. Der Großteil der 599 Rechnungshof-Vorschläge bringt keine direkten Einsparungen. Das ist alles Harry-Potter-Denken, aber es gibt keine Zauberkunststücke mehr.

Aber bei den Beamten gibt es unterschiedliche Dienstrechte, was es auch unmöglich macht, dass zwischen Körperschaften Bedienstete wechseln. Das ist wohl nicht mehr zeitgemäß.

Die müssten vereinheitlicht werden, richtig. Auch die Pensionsrechte. Aber das braucht Zeit. Und ich sehe auch dabei eine Bereitschaft, die weit fortgeschritten ist. Nehmen wir die Pensionisten: Sie leisten einen Beitrag in diesem Paket. In anderen Ländern stehen Regierung und Parlament gegen die Bevölkerung. In Österreich ist das anders, weil der Inhalt des Pakets richtig ist.

Bei manchen Punkten, wie etwa bei der Finanztransaktionssteuer oder bei den Steuereinnahmen aus Schweizer Fluchtgeldern, herrscht aber doch eher das Prinzip Hoffnung.

Die Finanztransaktionssteuer ab 2014 halte ich für realistisch. Wichtig für Österreich ist die Umsetzung der anderen Punkte.

Und bei den Steuerzahlungen aus der Schweiz? Ein Teil dieses Geldes stammt ja wohl aus dubiosen Quellen. Kommt da zur Steuer-Amnestie nicht auch noch eine Straf-Amnestie dazu?

Wir orientieren uns da sehr eng an Deutschland. Die dortige Regierung ist mit der Schweiz ja ziemlich weit in den Verhandlungen und geht genauso moralisch damit um. Wichtig ist, dieses Thema der Steuermeidung abzuschließen. Auch für die Schweiz.

In Industriekreisen gibt es die Kritik, dass im Paket die Risiken für das Budget nicht abgebildet worden sind, etwa eine Schrumpfung der Wirtschaft, oder die Pleite Griechenlands.

Ich war am Dienstag in Brüssel und habe dort mit dem deutschen Wirtschaftsminister gesprochen. Die deutsche Wirtschaft läuft recht gut, wie auch die österreichische. Natürlich haben wir einen Totalverlust Griechenlands nicht berücksichtigt, weil wir ja sonst jeden Optimismus aufgeben würden. Und angesichts der globalen Vernetzung würde das zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Wir gehen davon aus, dass sich alles positiv entwickelt. Das kann ja kein ernster Vorwurf sein.

Aber vom Osteuropa-Engagement der Banken scheint Gefahr für Österreich auszugehen. Wenn dort mehr Kredite umfallen, könnte dadurch eine neuerliche Staatshilfe notwendig werden. Das hat auch die Ratingagentur Moody’s deutlich gemacht.

Wir haben schon 2009 gezeigt, dass wir dieses Risiko im Griff haben. Die Banken werden alle Mühe haben, bis Juni auf die international geforderten Mindest-Kapitalvorschriften von neun Prozent zu kommen, aber alle sagen, sie schaffen es.

Das Banken-Risiko bleibt uns erhalten, Osteuropa ist ein strategischer Markt für die Institute. Wird es also noch dauern, bis Österreich die beste Bonitätseinstufung Triple-A zurückbekommt?

Wir wollen das Triple-A zurück haben, das bleibt das erklärte Ziel der Regierung. Aber die Osteuropa-Thematik werden wir noch Jahre haben. Und da die Rating-Agenturen dies als Risiko sehen, wird es wohl auch damit noch etwas dauern.

Die Regierungsparteien geben sich - im Vergleich zu früher - erstaunlich einig, das Paket auch so umzusetzen. Wird das die Begutachtungsfrist über halten?

Der Triumph, über den anderen gesiegt zu haben, ist diesmal ausgeblieben. Die Parteigremien und die Parlamentsklubs beider Regierungsparteien haben es einstimmig angenommen. Es kann nur um technische Anpassungen gehen. Das Paket bleibt.

Die SPÖ wird mit der Erbschaftssteuer in den Wahlkampf ziehen. Was hat sich die ÖVP dafür vorgenommen?

Wir haben jetzt keinen Wahlkampf. Die Pensionsangleichung der Frauen an die Männer muss meines Erachtens nach kommen. Gegen Substanz-Besteuerung treten wir weiterhin auf.

Was werden Sie nach dem Paket als Nächstes machen?

Wir nehmen über die Wettbewerbsbehörde die Energieanbieter an die Kandare. Verbilligungen bei Großhandelspreisen müssen an die Kunden weitergegeben werden.