Analyse: Schlechtes Image von "Negative Campaigning" besteht meist zu unrecht.
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Wien. Eigentlich ist es eine simple Rechnung: Tendenziell sinkt die Wahlbeteiligung, was wiederum den Wert der abgegebenen Stimmen erhöht. Folglich haben diejenigen Parteien bei Wahlen die besten Chancen, denen es gelingt, die eigenen Kernwähler am stärksten zu mobilisieren. Nicht immer und bei jeder Wahl, aber doch im Durchschnitt.
Diese wenig revolutionäre Einsicht führt Parteimanager aller Couleurs dazu, rechtzeitig an Strategien zu tüfteln, die verbliebenen eigenen Stammwähler verlässlich zu den Urnen zu treiben. Und dies, so lehrt die Erfahrung, funktioniert am effizientesten mittels negativer Botschaften, die auch die Instrumentalisierung von Sorgen und Ängsten billigend in Kauf nehmen.
So weit so normal. Für Schlagzeilen sorgt ein solches Unterfangen nur dann, wenn die negativen Botschaften entweder außergewöhnlich infam oder - man denke an das jüngste Strategiepapier der ÖVP gegen Rot-Grün - besonders schwer mit der allgemeinen Wahrnehmung auf Kollisionskurs liegen. Letzteres ist allerdings unvermeidlich, wenn die angepeilte Zielgruppe und die öffentlichen Meinungsbildner gesellschaftlich-kulturell ein besonders großer Graben trennt. Oder einfacher ausgedrückt: Was am Stammtisch eines Bauernbundortsvereins im Waldviertel "einigeht", mit dem kann man sich in Bobo-Vierteln arg lächerlich machen.
Allerdings: Über den tatsächlichen Erfolg einer solchen Kampagne mit kultureller Fallhöhe sagt dieser Umstand für sich genommen noch relativ wenig aus. Sich völlig lächerlich zu machen, sollte man dennoch tunlichst vermeiden. So gesehen - und jenseits ideologischer Standpunkte - haben es SPÖ und Grüne mit ihrer Permanenz-Warnung vor Schwarz-Blau geradezu lächerlich einfach. Schließlich geben sich Mitglieder dieser Kombination seit Jahren bei Gericht die Klinke in die Hand.
In Österreich ist politische Werbung, die auf negative Botschaften setzt, zumindest in der veröffentlichten Meinung weitgehend verpönt. Was nichts daran ändert, dass diese Strategie von sämtlichen Parteien, wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß, praktiziert wird. Das schlechte Image besteht dabei zumeist zu unrecht. Schließlich belegen Studien aus den USA, die diesbezüglich als internationale Trendsetter fungieren, dass in negativen Werbekampagnen weit weniger gelogen wird als in positiven. Das hat allerdings nichts mit höheren moralischen Standards zu tun, sondern erklärt sich aus der naheliegender Tatsache, dass Parteien, die hier mit falschen Behauptungen arbeiten, die eigene Kampagne auf den Kopf fällt.
Auch die These, dass negative Politwerbung zu sinkender Wahlbeteiligung führt, lässt sich generell belegen. Zwar gibt es durchaus Kampagnen, die gezielt darauf hinarbeiten, die Wähler der Konkurrenz von einem Urnengang abzuhalten - in Österreich etwa der SPÖ-Wahlkampf 2006 -, grundsätzlich jedoch gehört zum demokratischen Stimmenwettbewerb die Konfrontation pointierter Standpunkte. Zuspitzungen und Polemik erlauben es zudem, komplizierte Sachverhalte auf einfache Botschaften zu reduzieren. Die Kosten der Eurofighter etwa Sparbestrebungen im Pensionssystem gegenüberzustellen, wie dies SPÖ, Grüne und auch FPÖ über Jahre hinweg getan haben, mag vielleicht streng sachlich unzulässig sein; das ändert nichts daran, dass das Bild in den Köpfen vieler Bürger funktioniert hat, die Botschaft angekommen ist.