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Salzburger Ex-Luxushotel Kobenzl soll Zentrum für Asylsuchende werden: das Duell der Befürworter und Gegner.
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Aufklärung, Humanität, Haltung und Zivilisation scheinen in der heimischen Gesellschaft nicht tief verwurzelt zu sein. Wenn es hart auf hart geht, weht eisiger Wind in der bequemen Wohlstandsgesellschaft. Dies zeigt sich derzeit in Salzburg überdeutlich. Weil ein einstiges Nobelhotel, das berühmte "Kobenzl" am Gaisberg, mit atemberaubender Aussicht auf die Festspielstadt für Asylsuchende geöffnet wurde, kocht die Volksseele hoch. Sie verschafft sich in rüden Beschimpfungen in Internetforen und wüsten Drohungen Luft.
Zeitgleich beschäftigen antisemitische, ausländerfeindliche und rassistische Schmierereien seit über einem Jahr zunehmend die Öffentlichkeit in der ach so schönen Festspielstadt. Die Stadt tritt nun in einer mutigen Aktion gegen die "Rülpser von rechts" offiziell auf. Die sozialdemokratische Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer hat die Aktion #88gegenrechts! ins Leben gerufen. Die Aktion, an der sich 88 prominente Salzburger beteiligen, um den Rechten in der einzigen Stadt Österreichs, in der es während der NS-Diktatur zu Bücherverbrennungen kam, nicht den öffentlichen Raum zu überlassen. Die Aktion hat international für positives Aufsehen gesorgt. Doch auch die Aktion #88gegenrechts! wurde jüngst Ziel von Attacken.
Nixon & Kreisky
Das Hotel Kobenzl am Gaisberg hat eine bewegte Geschichte. Erstmals erwähnt wurde das Haus im Jahr 1625. Damals stand dort ein Bauerhof. Als im 19. Jahrhundert eine Zahnradbahn auf den Gaisberg fuhr, wurde dort eine Jausenstation errichtet. Anfang der 1950er Jahre wurde es als kleines Hotel ausgebaut. Im Jahr 1959 verwirklichte sich der Pinzgauer Bergbauernsohn Rupert Herzog mit seiner Frau Marianne einen Lebenstraum und erwarben das alte Ausflugsgasthaus "Judenbergalm". In "Kobenzl" umbenannt wurde das Hotel bald zur nobelsten Adresse in Salzburg.
So übernachteten der amerikanische Präsident Richard Nixon und der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky bei ihrem berühmten Treffen 1974 im Kobenzl. In der Folge wurde das Kobenzl sozusagen zum "Staatsgasthotel" der Mozartstadt und Treffpunkt internationaler Größen. Hier übernachteten etwa der US-amerikanische Außenminister Henry Kissinger, Englands Premierministerin Margaret Thatcher, José Carreras, Thomas Bernhard und Herbert Grönemeyer.
Das Eigentümerehepaar Herzog übergab 1992 Tochter Marianne Buseck das Hotels. Diese baute es 1996 zu einem Vitalhotel um. Im Zuge der Bauarbeiten wurden 2002 durch vier Geomanen angebliche "Energieplätze" auf der Liegenschaft des Vitalhotels ausfindig gemacht. Seither ist das Hotel auch unter Esoterikern berühmt. Auf dem Grundstück des Hotels Kobenzl sollen sich demnach rund 20 Energieplätze befinden. Der stärkste von ihnen strahlt diesen Angaben zufolge bis zu 40 Kilometer weit.
Im Herbst 2004 verließ Marianne Buseck, Mutter von vier Kindern, die Gastronomie und ihr Bruder Peter Herzog übernahm das Hotel, das er mit wechselndem Erfolg führte. Ab 2006 stand das Gebäude zum Verkauf.
Im Oktober 2011 wurde ein Vorvertrag mit einem Investor aus Nordrhein-Westfalen, der geheim bleiben wollte, bekannt. Als Verkaufspreis wurden 12,5 Millionen Euro kolportiert. Die Neueröffnung als Fünf-Sterne-Hotel war geplant. Mitte Jänner 2012 hieß es, dass der Verkauf geplatzt war. Die Eigentümerfamilie sowie Projektabwickler Stefan Wendt warfen einander Betrug vor. Gegen Wendt begann die Staatsanwaltschaft zu ermitteln. 2014 wurde Wendt zu zwei Jahren bedingter Haft verurteilt. Ein Betrugsvorsatz war nicht nachweisbar.
Trotz dieser unerfreulichen Erfahrungen lies Peter Herzog nicht locker und unternahm einen vorerst letzten Anlauf, um das Hotel weiterzuführen. Im Frühjahr 2014 öffnete er wieder unter dem neuen, alten Namen "Judenbergalm" den Hotelbetrieb. Nach acht Jahren Stillstand kehrte wieder Leben in das alte Haus zurück. Auch das brachte nicht genügend ein, und so trafen sich vor wenigen Monaten öffentliches und privates Interesse. Der Bund suchte und sucht dringend Plätze für Asylsuchende: Das Land Salzburg erfüllt seit Jahren die vorgeschriebene Aufnahmequote nicht und das Hotel mit 100 Plätzen steht leer. So kam es, dass Herzog das Angebot des Innenministeriums annahm, aus dem ehemaligen Hotel ein Erstaufnahmezentrum - im Fachjargon Verteilzentrum - für Asylsuchende zu machen.
Kommunikationsdesaster
Als die "Salzburger Nachrichten" am 29. Jänner 2015 erstmals von den Plänen des Ministeriums und des Landes Salzburgs berichteten, bis zu 100 Asylwerber im Kobenzl unterzubringen, ging eine Woge der Empörung in der heimischen Bevölkerung hoch.
Peter Herzog wurde beschimpft, die verantwortlichen Politiker sowieso und die regionale Ausgabe der "Kronen Zeitung" heizte mit dem Aufmacher "Asyl-Verteilzentrum auf dem Gaisberg. Das trifft Salzburg mitten ins Herz!" die öffentliche Stimmung zusätzlich an. Seither quellen die Internetforen mit weitaus mehr Kontra- statt Pro-Stellungnahmen zum Verteilzentrum Kobenzl über. Peter Herzog erhielt auf seinem Handy Botschaften wie: "Dieses Ausländer-Gesindel würde ich nicht einmal in meinem Kuhstall unterbringen".
Fast jedes Detail zum "Projekt Kobenzl" ist Thema der Leserbriefspalten in der Lokalpresse. Selbst das Faktum, dass eine Schweizer Firma, die eine gute Expertise bei der Betreuung von Asylsuchenden vorzuweisen hat, sich um die Organisation kümmert, schafft regionalen Unmut. Wenigstens die Betreuung der Asylsuchenden und Vertriebenen aus den Kriegsgebieten dieser Welt sollte man in österreichische Hände legen, ist zu lesen. Der mildeste Vorwurf lautet, dass die Anrainer zu spät informiert worden seien. Die schwarz-grüne Landesregierung in Salzburg hat gemeinsam mit dem Innenministerium ein Kommunikationsdesaster verursacht, das aus dem Ruder läuft und an Absurdität schwer zu überbieten ist.
Zeitgleich leidet die Stadt Salzburg zunehmend an einem Imageschaden, ausgelöst durch antisemitische Übergriffe und Schmierereien aus der Neonaziszene. Dies ausgerechnet in der einzigen Stadt Österreichs, in der es während der Nazi-Dikatur zu Bücherverbrennungen kam und die sich in der NS-Zeit als Tummelplatz der braunen Elite hervorgetan hat. Im Herbst 2013 wurden die Davidsterne der Synagoge im Stadtteil Schallmoos gelb angemalt und prangen seither als Symbol der Wiederbetätigung weithin sichtbar in der Farbe, wie einst die Judensterne während der Hitlerei.
Die Vorfälle häufen sich auffallend an historischen Daten wie jeweils im November in zeitlicher Nähe zur sogenannten "Reichskristallnacht". Ziel der Attacken sind auch antifaschistische Einrichtungen oder die Stolpersteine, die im Gehsteig vor zahlreichen Häusern der Mozartstadt angebracht sind, in denen Menschen gewohnt haben, die während des Naziterrors vertrieben wurden. Als in München vor einiger Zeit der NSU-Prozess begonnen hatte, wurde die Fassade eines Ladens in Salzburg mit der Drohung "NSU II" beschmiert. Der österreichische Verfassungsschutz schaltete sich ein; für einen Teil der Stolperstein-Beschmierungen wurden bereits zwei Täter verurteilt. Ein Täter hat sich offiziell von der Szene losgesagt.
Erfolg für #88gegenrechts
Die Vorgänge haben das offizielle Salzburg auf den Plan gerufen. Die sozialdemokratische Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer hat Ende Jänner die Aktion #88gegenrechts! gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Stadt ins Leben gerufen. Im Vorfeld gab es viele Diskussionen, weil ein Symbol der Neonaziszene - die Zahl 88 gilt als Code für Heil Hitler - verwendet wird. Die Symbolik wurde bewusst gewählt, um den Rechtsradikalen öffentlich entgegenzutreten. An der Aktion, die mittlerweile auch großes internationales Echo gefunden hat, beteiligen sich neben der Stadtregierung auch der Tourismusverband der Stadt Salzburg sowie zahlreiche Künstlerinnen und Künstler.
Doch die Serie neuer Schmieraktionen reist nicht ab. Vor kurzem wurden die Transparente der Aktion #88gegenrechts! auf dem Müllnersteg zerschnitten und eine Tafel an der Michaelerkirche am Residenzplatz, die an die Bücherverbrennung erinnert, wurde beschmiert. Auf der Tafel, die erst 2011 angebracht wurde, steht das berühmte Zitat von Heinrich Heine: "Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen."