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Nichts macht Italiens politischen Wandel deutlicher als die Entscheidung des Mailänder Berufungsgerichts, das am Mittwoch - genau 99 Tage, nachdem Silvio Berlusconi die Regierungsgeschäfte an seinen Nachfolger Mario Monti übergeben musste - einen neuerlichen Befangenheitsantrag des Ex-Premiers zurückgewiesen hat. Berlusconi und seine Anwälte hatten wieder einmal versucht, einen Bestechungsprozess hinauszuzögern und der Verjährung anheimfallen zu lassen.
Im Gegensatz dazu hat die "Regierung der 18 Professoren", wie Montis Expertenkabinett bei seinem Amtsantritt vor nunmehr 100 Tagen genannt wurde, durch harte und seriöse Arbeit Italiens Ansehen in der Welt wiederhergestellt. Die Berichterstattung über Italien beschäftigt sich seither wieder mit Fachthemen und nicht mit den peinlichen Bunga-Bunga-Parties oder den zahllosen Justizskandalen des Regierungschefs.
"Blut und Tränen" hatte der neue Premier Monti beim Regierungsantritt eingefordert, um das Land vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren, und seine Sozialministerin Elsa Fornero vergoss Letztere auch, als sie die einschneidenden Reformen im Pensionssystem präsentierte. Die Wiedereinführung der von Berlusconi abgeschafften Immobiliensteuer, allgemeine Einkommenssteuererhöhungen und eine geplante Anhebung der Mehrwertsteuer sind weitere Schwerpunkte des Sparpakets, das Italien aus der Finanzkrise holen soll. Monti ging aber auch mit gutem Beispiel voran, verzichtete auf seine Einkünfte als Regierungsmitglied und kürzte die Parlamentariergehälter um brutto 1300 Euro.
Verstärkte Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft sind einer der Schwerpunkte, die die Regierung Monti in ihren ersten 100 Tagen durchgezogen hat. Gezielte Steuerkontrollen in den exklusiven Urlaubsorten Cortina und Courmayeur und in den Nobeleinkaufsstraßen in Rom und Mailand wurden von den Betroffenen aber heftig kritisiert. Und die Apotheker, Taxi- und Lkw-Fahrer, Notare und Rechtsanwälte, die von den Liberalisierungsplänen der Regierung betroffen sind und um alte Privilegien bangen, haben mit bereits durchgeführten oder angekündigten Streikmaßnahmen ihren Protest ausgedrückt und das Land tageweise lahmgelegt.
Die härteste Nagelprobe steht der Regierung Monti aber noch bevor: die Reform des Arbeitsrechts, bei der heftige Konfrontationen mit den Gewerkschaften drohen. Einen bitteren Vorgeschmack darauf hat Monti schon bekommen, nachdem er gesagt hatte, ein fixer Arbeitsplatz für das ganze Leben sei langweilig. Angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von zuletzt 31 Prozent gab es dafür wenig Verständnis.