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Harte Cuts und bunte Bilder

Von Nour Khelifi

Politik
Wachgeküsst muss beim Dornröschen-Duo Olszowski (l.) und Ruzicka niemand werden.
© Khelifi

Szymon Olszowski und Martin Ruzicka wissen ihre Wurzeln einzusetzen.


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Wien. Bombenangriffe aus dem Zweiten Weltkrieg, der Autobahnanschluss in den Sechzigern oder das Pfingst- und Augusthochwasser 1991 - anlässlich des 700-Jahr-Jubiläums der Marktgemeinde in Leobersdorf wurde die Geschichte des Ortes auf der Kirche in Szene gesetzt. Hierbei bediente man sich eines Bildmaterials, das an die Form eines Gebäudes angepasst wird. Die Schöpfer dieser Lichtinstallation sind zwei junge Männer aus Wien.

Szymon Olszowski und Martin Ruzicka bilden gemeinsam das Videokollektiv "Dornröschen", das im Dezember 2010 gegründet wurde. Unter diesem Künstlernamen wollen die beiden Männer Musik und Visuals, also kurze Videoloops, in Einklang bringen. Seit der Gründung sind sie fixer Bestandteil der elektronischen Musikszene in Wien. In den vergangenen Jahren hat das Duo viele namhafte Clubs in und um Österreich bespielt. Neben Projekten im Event- und Partysektor arbeiten sie auch als Filmer und Cutter für Werbe- und Promotion-Videos. Zu ihren Kunden zählen Marc Jacobs, Red Bull, aber auch das Urban Arts Forms Festival. "Man ist stolz auf seine Leistung und freut sich immens, wenn solche Aufträge hereintrudeln", erzählt Ruzicka.

Ihr Künstlername "Dornröschen" setzt sich aus ihren Ursprüngen zusammen. "Dorn", weil Olszowski Fotografie wie "ein Dorn im Auge" zu sein scheint. Ruzicka Nachname kommt aus dem Tschechischen und bedeutet "Röschen." "Meistens sind die Menschen etwas verdutzt, weil wir einen eher ‚weiblichen‘ Künstlernamen haben, aber uns stört das nicht", meint Olszowski. Er ist gebürtiger Pole und kam mit vier Jahren nach Österreich. Seitdem lebt er in Wien. Als Absolvent der New Design University in St. Pölten machte sich der heute 28-Jährige im Jahr 2011 als Grafikdesigner selbständig. Außerdem beschäftigt sich Olszowski intensiv mit der analogen wie digitalen Fotografie. Seine Liebe zu Momentaufnahmen entwickelte der Künstler schon in seiner Kindheit. "Als ich zwölf Jahre alt war, habe ich durch meinen Großvater mit dem Fotografieren angefangen. Es hat mich fasziniert, was er damals gemacht hat, da er analog fotografierte", erzählt er.

Inspiriert von der Szene in Südafrika

Diese Faszination spiegelt sich auch in der Arbeit des Videokollektivs wider. Eines ihrer primären Ziele ist das Zusammenspiel von analoger in digitaler Kunst sowie "der offene Dialog zwischen Visuals und Musik". Szymon Olszowski und Martin Ruzicka wollen zeigen, wie wichtig die analoge, nicht digitalisierte Welt ist. "Unsere Visuals bestehen aus analogen und digitalen Komponenten, zu 100 Prozent nur digital arbeiten, kommt für uns nicht in Frage", betont Martin. "Ohne Analog gibt’s ja auch kein Digital, diesen wichtigen Punkt wollen wir aufzeigen." Und genau dafür steht auch Dornröschen: ursprünglich analoges Material, schnelle und bunte Bildfolgen sowie harte Cuts. Das Duo arbeitet grundsätzlich bei allen Veranstaltungen live, um Bild und Musik möglichst genau aufeinander abstimmen zu können, auf selbst generierende Bilder wird verzichtet.

Seit zwölf Jahren beschäftigt sich Olszowski mit allen Facetten dieses Mediums und eignet sich die dazu nötigen Fertigkeiten autodidaktisch an. Der Wiener mit polnischen Wurzeln bringt viel Erfahrung in das Videokollektiv mit: Nach der Teilnahme als Produktionsleiter und Fotograf an einem Projekt im Museumsquartier folgte ein längerer Aufenthalt in Südafrika. Dort setzte er sich mit der lokalen Werbeszene auseinander, wo Werbeplakate meist noch mit der Hand gemalt werden.

Erst 2010 trifft er auf Martin Ruzicka. Der 23-jährige Wiener studiert an der Universität Wien Psychologie, Philosophie und Germanistik auf Lehramt. Auch er hat den Zugang zur Kunst früh gefunden. Mit 16 Jahren fing er an, sich mit Videoinstallationen zu beschäftigen. Ein Jahr darauf assistierte er im offenen Atelier des Künstlers Thomas Fritsch, wo Ruzicka die Malerei für sich entdeckte.

Der Student versucht die Balance zwischen Kunst und Studium zu halten: "Ich brauche beides: das Studium, um meine Gehirnzellen auf Trab zu halten, und die Visuals, um mich kreativ auszuleben", sagt der angehende Lehrer.

Das Schielen nach Berlin macht "wahnsinnig"

Ihre polnischen und tschechischen Wurzeln haben den beiden schon den einen oder anderen Vorteil verschafft. "Ein Teil vom Equipment mieten wir an, manchmal bekommen wir einfach Vergünstigungen, weil sich herausstellt, dass die Techniker auch polnisch sprechen. In manchen Clubs, in denen zum Beispiel Polen an der Technik arbeiten, werden wir oft mit viel mehr Freude begrüßt", sagt Olszowski und grinst.

Grundsätzlich ist die gesamte Wiener Kreativ- und Veranstaltungsszene multikulturell. "Wir schätzen Wien deswegen sehr", sagt der 28-jährige Grafikdesigner. Dadurch findet ein reger Austausch statt. Beide sehen aber über den österreichischen Tellerrand hinaus: "Wenn man Österreich beispielsweise mit Polen vergleicht, sind uns die Polen weit voraus. Die Szene dort ist viel innovativer und flexibler", meint Olszowski. Auch Berlin hätte mehr zu bieten, behaupten viele ihrer Kollegen: "Die meisten sind enttäuscht, dass Wiens Szene nicht den Level der deutschen Hauptstadt erreicht hat. Ich reagiere allergisch auf solche Aussagen. Wien kann man mit Berlin nicht vergleichen", sagt Ruzicka.

Hätten sie im Ausland gar mehr Erfolg als in Wien? "Es ist schwer zu sagen, wie unsere Situation in einem anderen Land wäre. Dass wir in Wien aufgewachsen sind, hat natürlich seine Vorteile. Wir sind hier schließlich verwurzelt", sagt Ruzicka. Vorerst wird die Basis der beiden also Wien bleiben. Einziges Manko für Ruzicka: "Wien ist ein jungunternehmerfeindliches Land. Der ganze Papierkram kann einen wahnsinnig machen."