Tabubruch: LSD könnte Angst und Depression lindern. | Kritiker warnen vor schädlichen Nebenwirkungen. | Stuttgart. Es war ein schmissiges PR-Stück, als der US-Psychologe Timothy Leary in den 1960er Jahren die Losung ausgab: "Turn on, tune in, drop out". Seine Forderung, den Zugang von bewusstseinsverändernden Drogen zu Forschungszwecken zu eröffnen, verhallte jedoch schnell im konservativen Wissenschaftsspektrum. Drogen galten als Stoffe, von denen man in der Forschung besser die Finger ließ.
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Fast vier Jahrzehnte gingen ins Land, in denen sich die Medizin gegen illegale Substanzen sperrte. Ein Fehler, meint Amanda Fielding, Direktorin der renommierten Beckley Foundation. Der Bann, der über die Forschung gelegt wurde, sei aus "Ignoranz und Tabuisierung" entstanden. Es müsse "unideologisch" über den Einsatz von Drogen zu therapeutischen Zwecken diskutiert werden. Ihren Optimismus stützt Fielding auf Untersuchungen von US-Forschern mit überraschenden Befunden: LSD und Psilocybine könnten Angst und Depressionen lindern. So offen hat bisher kaum jemand über positive Wirkungen von Drogen gesprochen. Zudem scheinen die Ergebnisse die Forscher zu inspirieren.
In London untersucht ein Team des Imperial College die Wirkungen von psychedelischen Drogen. Die Wissenschafter wollen herausfinden, ob Psilocybin Gedächtnislücken schließen kann. Die Studie könnte wertvolle Erkenntnisse für die Therapie von traumatischen Störungen liefern.
Parallel dazu hat Roland Griffiths von der John Hopkins-Universität in Baltimore positive Effekte der Substanz bei der Rauchentwöhnung festgestellt. Seine Versuchsteilnehmer verspürten nach der Einnahme von Psilocybin keinen Drang mehr nach Zigaretten. Im Rahmen einer Langzeitstudie verabreichte Griffiths Patienten mit Depressionen spezielle Halluzinogene, die in geringen Dosen als Stimmungsaufheller wirken. Die Probanden berichteten 14 Monate später noch immer von einer höheren Lebensqualität und positiven Grundeinstellung.
Grenze zwischenTherapie und Konsum
Doch wo liegt die Grenze zwischen Therapie und Konsum? Für Fielding stellt sich diese Frage nicht. Sie ist der Meinung, dass LSD und Psilocybin keine Abhängigkeit bei den Patienten hervorrufen und bei "kontrollierter Dosierung" ungefährlich seien.
"Die psychiatrischen Risiken sind bekannt", kritisiert dagegen Ken Checinski, Toxikologe an der St. George-Universität in London. "Es ist ein schmaler Grat zwischen therapeutischem Vorteil und schädlichen Nebenwirkungen." Auch Gerhard Gründer von der RWTH Aachen sagt: "Es handelt sich hierbei um hochpotente Halluzinogene, die schon bei sehr geringen Dosierungen Psychosen auslösen können."
Ungeachtet der skeptischen Stimmen wächst die Zahl der Befürworter. Unklar ist noch, wer solche Therapien finanzieren soll. In den USA ist eine heftige Diskussion darüber entbrannt, ob entsprechende Substanzen auf die "A-List" anerkannter Arzneimittel gesetzt werden sollen. Fielding fordert ein Ende der "Stigmatisierung" und eine staatliche Subventionierung zu Forschungszwecken. Mit jeder neuen Publikation wächst der Druck auf die Verantwortlichen in Washington.