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Harte Siemens-Kur mit falscher Taktik Ein schweres Erbe lastet auf Löscher

Von Hermann Sileitsch

Analysen

100 Tage Einarbeitungszeit hat es für ihn nicht gegeben. Auch die Ein-Jahres-Feier wird wohl ausfallen: Am 1. Juli ist der Kärntner Peter Löscher seit 365 Tagen als Siemens-Chef im Amt. | Der erste Vorstandschef, der von außen kam, hatte seinen Job bei Siemens unter denkbar schwierigen Voraussetzungen angetreten: Eine Schmiergeldaffäre hatte den deutschen Technologiekonzern in die schwerste Krise seiner 160jährigen Historie gestürzt. Deren Ausmaße hatte Löscher selbst unterschätzt, wie er einräumt: "Korruption in dieser Breite hatte ich nicht erwartet."


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Die Belastungen durch Anwalts- und Prozesskosten sowie Geldstrafen gehen schon jetzt in die Milliarden Euro - und von der US-Börsenaufsicht SEC droht weiteres Ungemach. Zudem werden Löschers Aufräumarbeiten durch den drohenden Konjunkturabschwung und den starken Euro erschwert, unter dem die Exporte leiden.

Außerdem wird der Technologieriese künftig unter verschärfter Beobachtung stehen. In vielen Ländern (und attraktiven Wachstumsmärkten) gilt jedoch das Scheckbuch weiter als selbstverständlicher Begleiter einer Auftragsvergabe. Noch haben die Siemens-Auftragsbücher darunter nicht gelitten. Noch.

Man könnte das trübe Umfeld aber auch positiv sehen. Denn Löscher wird - anders als sein Vorgänger Klaus Kleinfeld - nicht mehr am "Mister Siemens" Heinrich von Pierer gemessen: Das Denkmal des Patriarchen ist im Zuge der Korruptionsvorwürfe ebenfalls vom Sockel gekippt. Schon von Beginn an war allen klar, dass ein radikaler Neustart unumgänglich ist. An der Rechtfertigung für schmerzhafte Schnitte mangelt es Löscher somit sicher nicht.

Und der ehemalige Pharma-Manager hat Siemens bereits im ersten Jahr bittere Pillen verabreicht: Er hat ganze Führungsebenen gekappt und den traditionsverliebten Konzern rascher umgebaut, als viele erwartet hatten: Drei Sektoren (Industrie, Energie, Gesundheit), klare Verantwortungen - und Aus.

Der schwierigste Machtkampf steht ihm aber jetzt bevor: 1,2 Milliarden Euro sollen bis 2010 in der Verwaltung eingespart werden. Das Sparprogramm wird weltweit mehr als 17.000 Arbeitsplätze kosten. Allein in Deutschland sind 6450 Stellen betroffen. Löscher verteidigt den Abbau, räumt aber Fehler in der Kommunikation ein: Er hätte die Schnitte nicht schon im November ankündigen sollen, obwohl er wusste, dass er Details und Dimensionen schuldig bleiben musste.

Die Folge: Unter der Belegschaft herrscht seit Monaten Verunsicherung. Und die mächtige IG Metall konnte sich in Ruhe auf die Konfrontation vorbereiten. "Krach auf breiter Front" hat Bayerns Gewerkschaftsboss Werner Neugebauer versprochen, falls es zu betriebsbedingten Kündigungen kommt. Darauf aber ganz zu verzichten dürfte für Löscher schwierig werden .. .