Leistbarer Wohnraum ist immer schwieriger zu finden - auch, weil ihn immer weniger Immobilienentwickler errichten wollen.
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Die goldenen Zeiten am Immobilienmarkt sind fürs Erste vorbei. In einem Marktumfeld massiv erhöhter Baukosten und steigender Zinsen ist das Transaktionsvolumen zuletzt deutlich eingebrochen. Eine Situation, die manche Bestandshalter und Projektentwickler nach den endlosen Aufwärtsbewegungen des Marktes in den vergangenen Jahren kaum noch kennen.
Die krisenbedingt gestiegenen Baukosten sind speziell für Projektentwickler ein Problem. Angesichts der mehr als ungewissen Entwicklung der Marktpreise werden Projekte derzeit reihenweise gestoppt oder verschoben. Durch die Verringerung des Immobilienangebots ist wiederum mit einer Steigerung der Mietpreise zu rechnen. Wohnen wird somit teuer bleiben. Besonders für einkommensschwächere Gruppen wird es immer schwieriger, leistbaren Wohnraum zu finden. Gleichzeitig wollen immer weniger Immobilienentwickler leistbaren Wohnraum überhaupt errichten, da sich unter den aktuellen Marktgegebenheiten nicht mehr die notwendigen Renditen erzielen lassen.
Natürlich sind nicht alle Segmente des Immobilienmarktes gleichermaßen von der Krise betroffen. Im Aufwind befinden sich beispielsweise Logistik-Immobilien, nicht zuletzt aufgrund des seit Pandemiebeginn boomenden Online-Handels mit vermehrtem Bedarf an Lagerflächen. Auch der Arbeitsmarkt hat sich in der Corona-Krise erheblich gewandelt, traditionelle Ansätze in der Bürovermietung sind oft nicht mehr anwendbar. So nimmt nun der Leerstand in der breiten Masse zu, während gleichzeitig High-End-Flächen stärker nachgefragt werden, wodurch Spitzenmieten weiter ansteigen.
Neben den Baukosten ist die jüngste Zinsentwicklung der zweite wesentliche Faktor für den Immobilienmarkt. Zwar werden Anleihen als alternative Anlageklasse wieder attraktiver, doch die steigenden Zinsen belasten die Renditen der Immobilien. Wer spät, teuer und weitgehend kreditfinanziert gekauft hat, unterliegt einem Verkaufsdruck, der die Immobilienpreise sinken lässt. Wer seine Refinanzierung an die steigenden Zinsen anpassen konnte, wird Immobilien tendenziell länger halten.
Neben den Projektentwicklern werden die harten Zeiten am Immobilienmarkt auch riskant kalkulierende Bestandshalter zu spüren bekommen. Um die notwendigen Erlöse zu generieren, wird der eine oder andere zwingend neue Geschäftsmodelle entwickeln müssen. So könnte beispielsweise die Produktion von "grünem Strom" durch Solarpaneele auf dem Dach eine Möglichkeit für neue Erlösquellen bieten, indem der Strom direkt an die Mieter der Immobilie verkauft wird. Stärker denn je wird sich die Immobilienwirtschaft auch mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen müssen. Nicht nur, um ihre eigene Datenlandschaft zukunftsfit zu gestalten, sondern auch, um neue Geschäftsfelder zu finden, etwa hinsichtlich des Energie- und Ressourcenmanagements der Mieter.
Jedenfalls dürfte in nächster Zeit ein Selektionsprozess am Immobilienmarkt bevorstehen. Dessen Opfer werden vor allem jene sein, die eingefahrene Pfade nicht rasch genug verlassen.