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Harte Zeiten für Arbeitssuchende

Von Katharina Schmidt

Wirtschaft

Arbeits- und Lehrstellensuche wird immer schwieriger. | Der AMS-Berater als Psychotherapeut. | Wien. Rund 78.470 arbeitslose Wiener gab es im vergangenen August, rund 10.450 davon sind unter 21 Jahre alt. Dies geht aus der Statistik des Arbeitsmarktservice (AMS) für Jugendliche in der Neubaugasse hervor. Gerade bei den Jugendlichen "steigt die Frustration, je länger sie zu Hause sind", erklärt die Leiterin der Beratungszone in der Neubaugasse, Isabella Volarik. Zwischen 550 und 650 Jugendliche muss ein Berater dort betreuen, neben dem chronischen Personalmangel zehren steigende Jugendarbeitslosigkeit und fehlende Lehrstellen an den Nerven der Betreuer. "Während wir 1999 mit 200 Plätzen für Berufslehrgänge ausgekommen sind, haben wir dieses Jahr 2100 Lehrgangs-Einsteiger", schildert Volarik im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Statt einer Lehrstelle sollen Berufslehrgänge den Berufseinstieg für Jugendliche erleichtern.


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Schwieriger gestalte sich die Vermittlung von Migranten mit mangelhaften Sprachkenntnissen oder Jugendlichen, die von zu Hause nicht gefördert werden. "Wir sind nicht nur die Berater der Jugendlichen, sondern auch deren Mama, Papa und Psychologe", so Volarik. Bis zum Alter von 15 Jahren lebten viele unter einem "Glassturz", dann würden sie "hinausgeworfen".

Der 19-jährige Renée Hraba etwa wird von der Familie nicht unterstützt. Zwar hat er schon gearbeitet, "vom Arbeitslosengeld bleiben mir aber nur 50 Euro, der Rest geht auf die Miete drauf", meint er resigniert. Er wolle Tontechniker werden, kämpfe jedoch seit zwei Jahren um eine Finanzierung der rund 4000 Euro teuren Ausbildung. Eine andere Arbeit kommt für Hraba nicht in Frage: "Hilfshackler" wolle er jedenfalls nicht werden.

Wer Arbeit will, muss Abstriche machen

Bernhard Nemeth (20) will unbedingt zu Feuerwehr oder Polizei, in der Zwischenzeit besucht er aber einen Weiterbildungskurs und eine Einschulung am Flughafen Wien.

Anders als in der Neubaugasse, wo die Resignation der Berater überwiegt, zeigen sich die Mitarbeiter der für Favoriten zuständigen AMS-Stelle Geiselbergstraße optimistisch. Zwar sei auch hier die psychische Belastung für die Berater groß, aber "wir versuchen, unseren Job gut und gerne zu machen", erklärt die stellvertretende Leiterin der Geschäftsstelle, Katharina Kriegler. Zu den rund 9000 dort arbeitslos Gemeldeten gehört auch Judit Gal, die nach der Babypause wieder arbeiten möchte. Die 35-jährige Tierärztin ist Idealistin: Ihrer Kinder wegen will sie zwar nicht Vollzeit arbeiten, wünscht sich aber einen Beruf, wo sie "vielleicht ein bisschen die Welt verbessern kann". Ab Mitte Oktober wird die zweifache Mutter einen geförderten Berufsorientierungskurs besuchen, den sie sich selbst organisiert hat. Durch derartige Kurse würden die Menschen dazu animiert, die laut Gal so wichtige "Verantwortung für die eigene Zukunft zu übernehmen".

Dass nicht jeder AMS-Kunde so denkt wie Frau Gal, weiß die Beraterin Evelyn Borowitz. So seien die Kunden oft nicht bereit, sich um eine neue Stelle zu kümmern. In Zeiten der steigenden Arbeitslosigkeit weht aber auch beim AMS ein rauerer Wind: "Reiner Leistungsbezug ist nicht mehr drin", erklärt Borowitz. Die Eigeninitiative des Kunden wird regelmäßig überprüft, erweisen sich die Bewerbungen als fruchtlos, wird der Kunde zur Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen verpflichtet.

Laut Kriegler gibt es auch zahlreiche Kunden, die es nicht einmal für nötig erachten, zu den Kontrollterminen zu erscheinen. Gibt es für ein solches Fernbleiben keinen triftigen Grund, folgt eine vorübergehende Streichung des Arbeitslosengeldes.

Gerade in solchen Fällen wird die Hilflosigkeit der Betreuer deutlich: "Manchmal versteht man die Probleme der Kunden aus privaten Gründen, kann ihnen aber aus rechtlichen Gründen nicht helfen", erklärt Evelyn Borowitz.

Arbeitslosigkeit in Wien

Im August 2005 kamen in Wien durchschnittlich 14,5 Arbeitslose auf eine offene Stelle, die Zahl der Arbeitslosen stieg gegenüber August 2004 um 2,2 Prozent. Schwierig ist die Situation besonders für Jugendliche: Im Vergleich zum Vorjahr gab es um 12,5 Prozent mehr Arbeitslose unter 19 Jahren, bei den 20- bis 24-Jährigen erfolgte eine Steigerung um 18,9 Prozent. Einen starken Rückgang von 20 Prozent gab es lediglich bei den über 60-Jährigen.