Stärkste Partei in Opposition. | Nato-Beitritt als Streitpunkt. | Kiew/Wien. Dass diese Koalition noch Wirklichkeit wird, daran hat in der Ukraine kaum noch jemand geglaubt. Doch gestern haben sich die zerstrittenen Helden der orangen Revolution von 2004 in Kiew überraschend auf ein Regierungsbündnis geeinigt.
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Der Koalitionsvertrag zwischen dem Block Julia Timoschenko, der Präsidentenpartei Unsere Ukraine und den Sozialisten soll am Freitag unterschrieben werden. Den Posten des Premiers wird voraussichtlich Julia Timoschenko bekommen, ihre Partei soll auch die meisten, nämlich zehn, Minister stellen. Unsere Ukraine von Wiktor Juschtschenko erhält acht Ministerien, darunter das Innenministerium, die Sozialisten von Oleg Moroz werden für ihre Unterstützung mit dem Posten des Vizepremiers und drei Ministerien belohnt. Die stärkste Partei bei den Wahlen vom März, die prorussische Partei der Regionen von Wiktor Janukowitsch, findet sich in der Opposition wieder.
Janukowitsch selbst glaubt allerdings nicht daran, dass eine Regierung der ehemaligen Helden der orangen Revolution Chancen auf Erfolg hat: "Bei der Vertrauensfrage im Parlament werden sie die nötigen 226 Stimmen nicht zusammenbekommen."
Doch auch wenn die Orangen diese erste Hürde nehmen - einfach wird ihr künftiges Zusammenleben nicht sein: Abgesehen von den äußerst emotional geführten Personaldebatten - Juschtschenko und Timoschenko sind von unzertrennlichen Freunden zu erbitterten Gegnern mutiert - lässt vor allem die Frage des Nato-Beitritts der Ukraine Probleme erwarten. Während die Präsidentenpartei Unsere Ukraine sich massiv für einen Beitritt einsetzt, hat Timoschenko bislang eine sehr vorsichtige Haltung eingenommen: "Wir werden die Nato-Integration nicht behindern", gehört schon zum Maximum dessen, was die künftige Regierungschefin an Nato-Begeisterung von sich zu geben bereit ist. Ihre Begründung: Ein Nato-Beitritt werde vielleicht von 20 Prozent der Ukrainer unterstützt, da wäre ein Vorpreschen kontraproduktiv.
Ungelöste Probleme
der Vergangenheit
Reibereien sind im orangen Lager aber auch bei der Aufarbeitung der politischen Verbrechen der Kutschma-Zeit zu erwarten. Während Juschtschenko, trotz des Giftattentats auf ihn, offenbar ein Stillhalteabkommen mit seinen ehemaligen Todfeinden geschlossen hat, will Julia Timoschenko eine vollständige Aufklärung der Verbrechen der Vergangenheit. Bei den Koalitionsgesprächen scheint sie sich mit diesem Anliegen aber nicht durchgesetzt zu haben. Die von ihr angestrebte Aussetzung der Immunität von Parlamentsabgeordneten wird aller Voraussicht nach ebenso wenig Bestandteil des Koalitionsvertrags sein wie eine umfassende Annullierung der von Timoschenko als "verbrecherisch und illegal" bezeichneten Privatisierungen der Kutschma-Zeit. Auch die Tatsache, dass der Posten des Innenministers an Unsere Ukraine geht, deutet darauf hin, dass sich Timoschenko nicht durchgesetzt hat.
Abgesehen von internen Zwistigkeiten kommt auf das orange Koalitionsbündnis aber auch ein generelles Problem zu: Während der drei langen Monate, in denen versucht wurde, eine Regierung zu bilden, haben sich nicht wenige Ukrainer mit der Idee einer großen Koalition zwischen der prowestlichen Präsidentenpartei Unsere Ukraine und der prorussischen Partei der Regionen angefreundet. Aus simplem Grund: Nach wie vor ist die Ukraine tief gespalten in einen nach Europa ausgerichteten orangen Westen, zu dem auch noch die Hauptstadt Kiew gehört, und in einen blauen (die Farbe der Partei der Regionen) Osten, der russisch denkt, fühlt und spricht.
Eine große Koalition hätte die Chance beinhaltet, diese Spaltung zu überwinden. Eine rein orange Koalition wird sich damit schwerer tun. Für Jewgenij Kuschnarew, den Fraktionschef der Partei der Regionen im Obersten Rat, ist das auch der Grund, der ihn glauben lässt, dass die orange Regierung bald scheitern wird: "Mit nur einer Farbe hat die Ukraine keine Zukunft."