Hochschülerschaft: Sigrid Maurer (Gras) kämpft mit Samir Al-Mobayyed (AG) um Platz eins. | Übereinstimmung bei Studiengebühren, Finanzierung und Uni-Zugang. | ÖH-Verständnis und Feminismus als rotes Tuch. | "Wiener Zeitung": Was ist Ihrer Meinung nach die Aufgabe der Hochschülerschaft?
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Sigrid Maurer: Aufgabe der Hochschülerschaft ist es, für die Interessen der Studierenden und für ihre Rechte einzutreten. Das bedeutet, Service und Politik für die Studierenden zu machen, für sie zu lobbyieren, kritisch gegenüber dem Ministerium zu sein, und sich nicht irgendwelche Pläne aufdrücken zu lassen.
Samir Al-Mobayyed: Die Aufgabe der ÖH ist die gesetzliche Vertretung der Studierenden an den Unis, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen. Das ist für uns einerseits die Servicearbeit, die wir uns immer groß auf die Fahnen geheftet haben - im Gegensatz zu den anderen Fraktionen, die das Service ignorieren. Dazu kommt die politische Arbeit gegenüber Ministerium, Entscheidungsträgern und Medien.
Service wurde von den anderen Fraktionen ignoriert? Al-Mobayyed: Das Wort "Service" ist nie verwendet worden, außer von der AG. Und jetzt sagt man, Service sei ohnehin etwas selbstverständliches, aber es wurde nie in diese Richtung betrieben.
Maurer: Aber der Slogan der ÖH war zwar zu Zeiten der linken Exekutiven (ÖH-Regierung, Anm.) "Service das hilft, Politik die wirkt." Service ist selbstverständlich, daher ist Politik im ÖH-Verständnis der Gras extrem wichtig. Wir haben halt auch andere Inhalte.
Al-Mobayyed: Mit der damaligen Dreierkoalition (gemeint ist die 2008 geplatzte Kooperation von Fachschaftslisten, Gras und Sozialistischen Studenten, Anm.) habt ihr mehr Zeit in Streiten investiert, als in sonst etwas. Wir haben zahlreiche Broschüren zu Wohnen, Menschenrechten und Sozialem herausgebracht. Wir haben in den knapp acht Monaten mehr gemacht, als die Exekutiven davor.
Maurer: Das ist alles ganz nett, was du da aufzählst, aber es ist so, als würde ein Restaurant sagen "Hallo, wir kochen übrigens auch". Das, was für die Studierenden effektiv erreicht wird, läuft im Hintergrund. Es nützt mir nichts, wenn ich 120 Skripten kopieren kann und keinen Platz im Hörsaal habe, weil die Raumaufteilung innerhalb der Uni katastrophal ist. Und das sind politische Dinge, für die man Finanzierungen aufstellen muss.
Vielleicht bleiben wir bei der Politik: Was ist Ihnen da ein besonderes Anliegen? Al-Mobayyed: Es muss eine Beschäftigungsbewilligung für ausländische Studierende geben. Dann wollen wir mehr Anerkennung für den Bachelor-Titel am Arbeitsmarkt. Ganz wichtig ist auch, dass der an den Bachelor anschließende Master frei bleibt. Der nächste Punkt ist die Qualitätssicherung durch eine ausreichende Uni-Finanzierung und durch eine externe Evaluierung der Vortragenden.
Maurer: Ein zentraler Punkt sind für uns ganz klar Zugangsbeschränkungen: Die geplante Neudefinition der Studieneingangsphase ist eine absolute Farce. Wir brauchen mehr Studierende und nicht weniger. Ein weiterer riesengroßer Punkt ist die Finanzierung. Das Budget ist nur eine Mogelpackung, wo nicht klar aufgeschlüsselt wird, für was das Geld verwendet wird. Wir wollen die Ausfinanzierung der Lehre. Ein weiterer Punkt ist die Qualitätssicherung, auch beim Betreuungsverhältnis muss etwas passieren. Gras garantiert, dass gegenüber dem Ministerium kein Kuschelkurs gefahren wird. Wir machen widerständige Politik und fallen nicht um.
Al-Mobayyed: Ich halte überhaupt nichts davon, dass man sinnlos auf die Straße geht. Zuerst muss man verhandeln, Protestmaßnahmen sind die ultima ratio. Es ist in den letzten acht Monaten sehr viel verhandelt worden, wir waren etwa beim Uni-Budget, bei der UG-Novellierung und beim E-Voting dabei.
Maurer: Es wird immer so hingestellt, als würde die Gras nie verhandeln. Wenn man seriös Bildungspolitik betreiben will, muss man mit Stakeholdern reden.
Seit 24. September 2008 sind die Studiengebühren weitestgehend Geschichte. In Wohlgefallen aufgelöst hat sich die Debatte aber nicht . . .
Maurer: Die Studiengebührenabschaffung, die ja keine war, sondern nur eine Milderung des Gesetzes, wurde in einer Schnellschussaktion gemacht. In der Nacht davor war der Antrag noch nicht fertig und dementsprechend ist auch das Ergebnis alles andere als zufriedenstellend. Wir fordern nach wie vor die komplette Abschaffung.
Al-Mobayyed: Das, was im September von Rot-Grün-Blau beschlossen worden ist, war ein kompletter Murks. Die Studierenden ärgern sich über diese Regelung, allein die Uni Wien zahlt 250.000 Euro für das sinnlose Administrationssystem. Dieses Geld könnte man in die Lehre investieren. Die einzige Konsequenz muss eine Komplettabschaffung sein. Auch die Studiengebühren für Nicht-EU-Bürger müssen fallen.
Österreich hat im Vergleich zum OECD-Schnitt eine niedrige Akademikerquote. Gleichzeitig gibt es, etwa für Medizin, oft viel mehr Bewerber als Studienplätze. Wie kann man die Entwicklung der Studenten- und Absolventenzahlen sinnvoll steuern? Maurer: Bei Fächern wie Psychologie und Medizin, wo es so viele deutsche Studierende gibt, braucht es ein Abkommen mit Deutschland. Das zweite ist, dass die Information in den Schulen absolut jenseitig ist. Und es gibt einen Machtkampf zwischen Universitäten und Fachhochschulen. Diese beiden Institutionen müssen zusammenarbeiten und eine gemeinsame Studienberatung machen. Des weiteren braucht es eine Begabungsförderung in der Schule. Wenn die Leute eine bewusste Entscheidung treffen sollen, muss man ihnen auch die Möglichkeit dazu geben. Es braucht eine klare positive Abgrenzung: Die Uni macht die wissenschaftliche Arbeit, die Fachhochschulen konzentrieren sich auf den Praxisbezug. Zugangsbeschränkungen sind in keinem Fall eine Lösung.
Al-Mobayyed: Man muss die Medizin-Problematik auf europäischer Ebene lösen und nicht national. Was die Beratung an Schulen betrifft: Die Studienberatung der ÖH-Bundesvertretung soll jetzt auch auf ganz Österreich ausgebaut werden. Für Schulen sollte man eine Art Seminarwoche an den Unis machen, wo man für eine längere Zeit Lehrveranstaltungen besucht und schaut, wie es dort wirklich ist. Nur mit mehr Geld kann man mehr Plätze schaffen. Zugangsbeschränkungen sind auch für die AG überhaupt kein Weg.
Sie sind in einigen Fragen einer Meinung. Warum erscheint dann eine Zusammenarbeit so schwer? Maurer: Natürlich, wir vertreten die Interessen der Studierenden und es gibt ein bestimmtes Mindestmaß, das da drin sein muss. Es gibt aber in der Aktionsgemeinschaft und der Gras ein grundlegend unterschiedliches Verständnis von der Aufgabe der ÖH. Und die AG gibt halt leider immer wieder nach. Wir können mit einer Fraktion, die sich mit der ÖVP ins Bett legt, nichts machen.
Al-Mobayyed: Ich wehre mich vehement gegen diese Aussage. Natürlich gibt es grundlegende Unterschiede zwischen Gras und AG. Wir arbeiten im Sinne der Studierenden und die Gras beschäftigt sich hauptsächlich mit Feminismus, also mit Themen, die die Studierenden in Wirklichkeit überhaupt nicht tangieren.
Maurer: 56 Prozent aller Studienanfänger sind weiblich, wir leben nach wie vor in einem Land mit 25 Prozent Pay Gap, wir haben keine einzige Rektorin. Das betrifft die Studierenden direkt. Zu sagen, das wäre nicht so, ist lächerlich.
Al-Mobayyed: Ich habe nichts gegen sinnvolle, aktive Frauenförderung gesagt. Ich finde es auch beschämend, dass wir keine einzige Rektorin haben, aber der Begriff Feminismus ist so negativ behaftet.
Maurer: Wir wollen diese Probleme an der Wurzel packen - durch feministische Theorie flächendeckend in allen Studienrichtungen.
Al-Mobayyed: Zwangsbeglückung ist der völlig falsche Weg.
Noch einmal: Warum wollen Sie partout nicht kooperieren? Al-Mobayyed: Sie wollen partout nicht mit uns, ich habe keine Fraktion ausgeschlossen. Mir geht es um die Arbeit für Studierende und sonst um nix.
Maurer: Es ist vollkommen klar, wir haben unser Programm, wir haben unsere Ziele, und die sind mit einer Aktionsgemeinschaft nicht erreichbar.
Zur Person: Sigrid MaurerZur Person: Samir Al-Mobayyed