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Harter Sparkurs für Lissabon

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft
Der Ausverkauf beginnt: Portugal muss im Gegenzug für die Hilfen staatliche Beteiligungen verkaufen. Foto: Melichar

Einigung mit EU, EZB und IWF; Details unklar. | Steuererhöhungen könnten Rezession bringen. | Brüssel. Auf die Portugiesen kommt ein weiteres hartes Sparpaket zu, das das Land laut Experten für zwei Jahre in die Rezession stürzen wird. Es muss im Gegenzug zu einem Rettungspaket über 78 Milliarden Euro geschnürt werden, über dessen Konditionen sich die Übergangsregierung unter dem Sozialisten José Sócrates mit den Vertretern von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) geeinigt hat.


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Weil Portugal vor Neuwahlen in einem Monat steht, verhandelten die Vertreter der so genannten Troika der Helfer am Mittwoch noch mit den wichtigsten Oppositionsparteien über die Annahme des schmerzhaften Rettungspakets. Auch ihre Zustimmung ist nötig, weil die Rettung umgehend vor mehreren Milliarden schweren Refinanzierungen im Juni anlaufen muss. Erst nach diesen Beratungen wollten Sócrates und EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn Details veröffentlichen. Gerechnet wurde damit frühestens am späten Mittwochabend.

Offen ist noch der österreichische Anteil am Hilfspaket für die Portugiesen, weil die Aufteilung der Summe zwischen Eigenleistungen, den EU- und Euro-Rettungsschirmen sowie dem Internationalen Währungsfonds noch unklar sind. Deutsche Experten schätzten für ihr Land eine Haftung von rund sieben bis acht Milliarden Euro; entsprechend wäre Österreich mit zirka 700 bis 800 Millionen Euro dabei.

Die 78 Milliarden Euro sollten die Refinanzierung Portugals über drei Jahre gewährleisten, hieß es. Dieser Betrag liegt knapp unter den zuvor erwarteten 80 Milliarden Euro. Über die Höhe des Zinssatzes war vorerst nichts bekannt. Als wahrscheinlich galten um die fünf Prozent. Zwölf der 78 Milliarden Euro sollten dazu dienen, den portugiesischen Finanzsektor zu stärken.

Als Gegenleistung für die Milliardenhilfen hat Portugal offenbar zugesagt, Privatisierungen im Umfang von 5,3 Milliarden Euro auf den Weg zu bringen, die Kraftfahrzeugs- und Vermögenssteuer anzuheben sowie Einsparungen bei Gesundheit, Bildung und Wohnbau vorzunehmen. Mindestrentner und besonders niedrige Einkommen sollen von den neuen Einschnitten immerhin verschont bleiben, kündigte Sócrates an.

Kaum jemand glaubt, dass die Vorgaben von EU, EZB und IWF weniger dramatisch sein können als jenes Sparpaket, das die Opposition noch Ende März - scheinbar aus wahltaktischen Gründen - abgelehnt hatte. Sogar um zwei Prozent schrumpfen soll die Wirtschaft 2011 und 2012, berichtet Reuters unter Berufung auf Experten.

Dennoch wird diesmal mit der Zustimmung der wichtigsten Oppositionspartei gerechnet; die Konservativen sollen wegen ihrer damaligen Ablehnung in den Umfragen immerhin ein paar Prozentpunkte vorne liegen. Beobachter monieren allerdings, dass das Land dadurch nur Zeit verloren habe. Trotz der Einigung auf das Hilfspaket musste Portugal für eine Anleihe mit drei Monaten Laufzeit 4,6 Prozent Zinsen zahlen; 0,6 Prozentpunkte mehr als im April. Der Kurs des Euro stieg dagegen am Mittwoch mit mehr als 1,49 Dollar auf den höchsten Kurs seit Ende 2009.

Trickreiches Finnland

Entschärft scheint unterdessen die drohende Absage ans Portugal-Paket durch Finnland. Denn der Chef der in den Wahlen enorm erstarkten "Wahren Finnen", Timo Soini, bekräftigte zwar seine Ablehnung der Hilfskredite. Doch stimmte er zu, die Verhandlungen über die Regierungsbildung erst nach der Portugal-Entscheidung im finnischen Parlament formell zu starten.

So könnte der künftige Regierungschef Jyrki Katainen von der konservativen Nationalpartei die notwendige Mehrheit für das Portugal-Paket mit Hilfe der Sozialdemokraten und der Zentrumspartei seiner abgewählten Vorgängerin Mari Kiviniemi bilden.