Brüssel - Der am kommenden Donnerstag in Nizza beginnende EU-Gipfel, der ursprünglich für drei Tage anberaumt wurde und jetzt mindestens bis Sonntag dauern wird, gilt schon vor seinem Beginn als der längste in der EU-Geschichte. Ziel dieses Gipfels ist es, die EU für die Osterweiterung fit zu machen. Die Ergebnisse des Gipfels sind deshalb auch ein wichtiges Signal für die Beitrittskandidaten, die ab etwa 2003 neu in die Europäische Union aufgenommen werden sollen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Im Mittelpunkt der Diskussion stand in den letzten Wochen vor allem die Frage, ob auch nach einer Erweiterung künftig jedes Land mit einem Mitglied in der EU-Kommission vertreten sein soll. In Gesprächen mit österreichischen Journalisten meinten in der Vorwoche sowohl der für die Verwaltungsreform zuständige Vizepräsident der EU-Kommission Neil Kinnock als auch Österreichs EU-Kommissar Franz Fischler, dass weitgehend Einigung darüber besteht, dass jedes Land durch ein Mitglied in der EU-Kommission vertreten sein soll. Kinnock sieht darin ein Signal an die Beitrittsländer und meinte, dass die Reserven in den Mitgliedsländern gegen die EU größer würden, wenn sie nicht mehr in der Kommission vertreten wären. Man müsse aber das System überdenken, wenn die Zahl der Mitgliedsstaaten 25 überschreitet. Auch Fischler sieht Einigkeit in der Frage, dass bis auf weiteres jeder Staat mit einem Kommissar in Brüssel vertreten sein soll.
Noch nicht entschieden ist auch die Frage der Größe des Europäischen Parlaments, dem derzeit 626 Mitglieder angehören und dessen Stärke mit 700 begrenzt ist. Wenn nun neue Länder dazukommen, könnte diese Zahl rasch überschritten werden. Österreich würde dann künftig nicht mehr wie bisher 21, sondern je nach Berechnungsart nur mehr 13 bis 17 Vertreter ins EU-Parlament entsenden können. Es zeichnet sich hier eine Lösung ab, dass die EU-Wahlen im Jahr 2004 noch nach dem derzeitigen Stand abgehalten werden und die Zahl der EU-Parlamentarier sich in der Periode bis 2009 nach dem Beitritt neuer Länder vorübergehend auch über die Zahl 700 ansteigen könnte.
Knackpunkt des Gipfels von Nizza wird aber die Frage der Einstimmigkeit bzw. der Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen sein. Prinzipiell besteht zwar Einigkeit darüber, dass die Zahl jener Themen, bei denen Einstimmigkeit vorgesehen ist, zurückgenommen werden soll, doch möchten die einzelnen Länder verschiedene Schwerpunkte gesetzt sehen. Strittig ist vor allem, ob Fragen wie indirekte Steuern, Strukturfonds, das Asylrecht und Soziales künftig mit Mehrheitsentscheidungen getroffen werden können oder ob in diesen Fragen weiterhin Einstimmigkeit und damit das Vetorecht einzelner Länder vorgesehen ist.
Wo der EU-Rat mit Mehrheit entscheidet, muss das EU-Parlament gleichberechtigt mitentscheiden können, forderte dazu der frühere Präsident dieses Gremiums, Klaus Hänsch (SPD), der in dieser Hinsicht mit dem Vorsitzenden der EVP-Fraktion, Hans-Gert Poettering, einer Meinung ist.