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Hartes Ringen um Erweiterung

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Debatte über Hürden für künftige Mitglieder. | Merkel will Verfassungsvertrag retten. | Brüssel. Ein Rahmen für künftige Erweiterungsschritte und die Herausforderungen für den Anfang 2007 startenden deutschen EU-Vorsitz bestimmten den Auftakt des EU-Gipfels gestern, Donnerstag. Gleich zu Beginn wurden die unterschiedlichen Positionen der Mitgliedsländer zur Erweiterung klar. Die sechs nordeuropäischen und baltischen EU-Staaten seien sich einig, dass es für künftige Mitglieder keine neuen Hürden geben dürfe, sagte der schwedische Premier Fredrik Reinfeldt nach einer Unterredung mit seinen Kollegen aus Dänemark, Estland, Finnland, Lettland und Litauen. "Wir wollen weder zusätzliche Kriterien oder geschlossene Türen, noch wollen wir Landkarten zeichnen, auf denen Striche gezogen werden."


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Fähig zur Integration

Diese Einstellung entspricht auch dem Credo von Erweiterungskommissar Olli Rehn, der stets gegen die Etablierung von geografischen Grenzen für die EU wettert. So geht es um die so genannte Integrationsfähigkeit der Union. Aufgrund deren Bewertung durch die EU-Kommission soll künftig die Fähigkeit der EU, weitere Beitritte zu verkraften, gemessen werden. Österreich, Frankreich und die Niederlande wollen diese Integrationsfähigkeit als Bedingung für jeden weiteren Beitritt definieren. Frankreich spricht auch weiterhin, entgegen der neuen Diktion der EU-Kommission, unverdrossen von der Aufnahmefähigkeit.

Zur Türkei erwartete sich der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel dagegen eine "sehr harmonische Diskussion". Die Entscheidung der EU-Außenminister zur Aussetzung von acht Teilbereichen der Beitrittsverhandlungen wird von den EU-Staatschefs wohl durchgewunken.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel konzentrierte sich in ihrer Regierungserklärung zum kommenden EU-Vorsitz indes auf die Rettung des EU-Verfassungsvertrags. Der liegt seit den Ablehnungen per Volksabstimmung in Frankreich und den Niederlanden im Koma. Der noch der EU vorsitzende finnische Premier Matti Vanhanen erstattete Merkel beim Abendessen mündlich Bericht über bisherige Fortschritte. Finnland hat den Vertrag kürzlich als 16. Mitgliedsland ratifiziert. Bulgarien und Rumänien übernehmen den Verfassungsvertrag automatisch mit ihrem Beitritt am 1. Jänner.

Straffer Zeitplan

Deutschland will im Juni nach den französischen Wahlen einen Bericht mit inhaltlichen Empfehlungen und einem straffen Zeitplan für die Rettung des Vertragswerks präsentieren. Bis dahin sollen zwei hochrangige Sonderbeauftragte der deutschen Regierung die Standpunkte der EU-Regierungen ausloten. Auch der Westbalkan und im speziellen das Ringen um den künftigen Status des Kosovo werde Deutschland massiv beschäftigen, hieß es.