Zum Hauptinhalt springen

Härtetest für die neue US-Strategie

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik
US-Soldaten im Einsatz bei der Offensive in der südafghanischen Provinz Helmand. Foto: ap/Pier Paolo Cito

Sprengfallen verlangsamen größte Offensive seit Ende des Taliban-Regimes. | Ein dauerhafter Erfolg ist alles andere als sicher. | Neu Delhi. Es ist die größte Militäroffensive seit dem Sturz der Taliban 2001. Nato-Truppen gehen in Helmand, im Süden Afghanistans, gegen die radikal-islamischen Kämpfer vor. Doch wegen der Sprengsätze, die die Taliban in dem schwierigen Gelände um den Ort Marjah eingegraben haben, rücken die Soldaten nur langsam vor. Die bereits lang angekündigte Aktion soll die Wende in dem über acht Jahre dauernden Krieg am Hindukusch bringen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Sie ist der Lackmus-Test für die neue Strategie von US-Präsident Barack Obama, der 2010 das US-Kontingent am Hindukusch um 35.000 Soldaten aufstocken, die Truppen aber bereits 2011 schrittweise wieder heim holen will. Der Erfolg der Aktion ist keinesfalls sicher.

15.000 Soldaten stehen im Einsatz

Etwa 15.000 Soldaten sind an der Operation "Mushtarak" beteiligt, was in der lokalen Dari-Sprache "zusammen" bedeutet. Neben den USA, den Briten und Teilen der afghanischen Armee kämpfen auch Kontingente aus Estland, Dänemark und Kanada mit. Der Vorstoß begann am frühen Samstagmorgen im Marjah-Distrikt, einer Hochburg der Taliban, in dem auch viel Opium angebaut wird. Der Handel mit dem Rauschgift gilt als die Haupteinnahmequelle der Aufständischen.

Die Aktion in Helmand ist ein Teil der neuen Militärstrategie, Teile des Südens in Afghanistans wieder unter die Kontrolle der westlichen Allianz zu bringen, um dann mit den Taliban aus einer Position der Stärke über eine Machtbeteiligung an der Regierung in Kabul verhandeln zu können. Dafür müssen die westlichen Streitkräfte aber auch die Bevölkerung auf ihre Seite ziehen, sie effektiv vor den Taliban schützen und so Vertrauen wieder zurückgewinnen.

12 tote Zivilisten durch fehlgeleitete Rakete

Die Nato hatte ihre Offensive schon länger mehr als deutlich angekündigt, um der Bevölkerung eine Flucht aus der Kriegszone zu ermöglichen. Die Warnung ist Teil des neuen Aufstandsbekämpfungs-Konzeptes von US-Oberbefehlshaber Stanley McChrystal, das den Schutz Zivilbevölkerung in den Vordergrund stellt. Dennoch kamen am Sonntag 12 Zivilisten ums Leben, als eine fehlgeleitete Nato-Rakete in einem Haus einschlug.

Anders als in der Vergangenheit sollen die Soldaten nicht aus hochgesicherten Armeekasernen heraus operieren, sondern in kleineren Gruppen die Taliban-Kämpfer eliminieren und gleichzeitig die Menschen vor Anschlägen und Übergriffen der Aufständischen schützen. Damit erhöht sich aber das Risiko für die Streitkräfte enorm. Immer höhere Verluste bei den Nato- und US-Truppen könnten die ganze Militäraktion in Frage stellten.

Kopfschmerzen bereitet auch die Frage, wie lange die Truppen die nun eroberten Gebiete halten können. Zwar mangelt es der Allianz nicht an Ressourcen, doch um Stabilität im Süden zu erreichen, müssen die von den Taliban befreiten Landstriche schon bald unter eine effektive Verwaltung gestellt werden. Die Nato investiert zur Zeit massiv in den zivilen Aufbau Afghanistans. Ingenieure, Techniker und Entwicklungsexperten stehen bereit, um endlich eine Stromversorgung und eine effektivere Landwirtschaft im Süden aufzubauen. Doch weil solche Projekte viel Zeit und Personal zur Absicherung brauchen, stellt sich die Frage, was passiert, wenn die Truppen im kommenden Jahr schrittweise wieder abgezogen werden.

Eigentlich traut so gut wie keiner in der afghanischen Regierung, der afghanischen Armee und der afghanischen Polizei zu, solche Aufgaben zu übernehmen. Die Institutionen gelten als korrupt, unzuverlässig und inkompetent.